Anm. zu ArbG Köln: Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl auf Grund von Wahlwerbung in WhatsApp-Gruppe
Betriebsverfassungsgesetz
Das ArbG Köln hat mit Urteil vom 26.1.2023 (Az. 11 BV 101/22) entschieden, dass Wahlwerbung, die über Kommunikationsmittel, die nicht jedem Wahlbewerber gleichermaßen zustehen, den Grundsatz der Chancengleichhalt aller Wahlbewerber verletzt und deshalb zur Unwirksamkeit der Wahl führt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die Antragssteller waren Wahlberechtigte einer Betriebsratswahl, bei der neun Betriebsratsmitglieder gewählt wurden. Für die Wahl gab es fünf Vorschlagslisten. Am Tag vor der Betriebswahl versendete der amtierende Betriebsratsvorsitzende und Listenführer der Liste 2 eine WhatsApp-Nachricht, die über eine Broadcast Gruppe rund 80 % der Beschäftigten erreichte. Die Nachricht enthielt Kritik an anderen Listen, betonte die Zurückhaltung der eigenen Liste bezüglich Wahlwerbung auf Grund eines Unglücksfalls und machte auf die Bedeutung der Wahlbeteiligung aufmerksam. Die Antragsteller sahen sich durch diese Nachricht im Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber verletzt. Da die Telefonnummern der wahlberechtigten Beschäftigten nicht frei zugänglich gewesen seien, habe die WhatsApp-Nachricht eine Wahlbeeinflussung auf einem Wege, der den übrigen Wahlbewerbern nicht zur Verfügung stand, ermöglicht. Der Listenführer der Liste 2 habe nur auf Grund seiner Funktion als Dienstplaner Zugriff auf die Nummern der Angestellten gehabt. Aus diesem Grund klagten die Antragssteller auf Unwirksamkeitserklärung der durchgeführten Betriebsratswahl.
Entscheidungsgründe:
Das Arbeitsgericht Köln entschied zu Gunsten der Antragssteller. Die Betriebsratswahl wurde für unwirksam erklärt. Der Grundsatz der Chancengleichheit sei verletzt, wenn zum Zwecke der Wahlwerbung Kommunikationsmittel genutzt werden, auf die nicht jeder Wahlbewerber gleichermaßen Zugriff habe. Dieser Grundsatz erfordere, dass alle Wahlbewerber gleiche Möglichkeiten im Wahlkampf hätten. Indem der amtierende Betriebsratsvorsitzende die WhatsApp-Gruppe, die ein Medium des Betriebsrats darstelle, genutzt habe, habe er einen unzulässigen Vorteil gegenüber den anderen Bewerbern erlangt. Die anderen Listen hätten keinen Zugang zu der Broadcast-Gruppe oder den Telefonnummern gehabt, wodurch ein Nachteil für diese entstanden sei. Dieser Verfahrensverstoß sei dazu geeignet gewesen, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Hinweis für die Praxis:
Der Grundsatz der Chancengleichheit ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich verankert, stellt jedoch, wie das Arbeitsgericht feststellt, „notwendiges Element einer demokratischen Wahl und damit eine wesentliche Verfahrensvorschrift“ dar. Jeder Wahlbewerber muss die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren und damit die gleiche Chance im Wettbewerb um die Wählerstimmen haben. Werden einzelnen Kandidaten Vorteile, etwa in Form der Bereitstellung von Betriebsmitteln für Werbezwecke, gewährt, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz vor. Da Neuwahlen jedoch zu erhöhten Kosten auf Seiten des Arbeitgebers führen, sollte drauf geachtet werde, dies zu verhindern und nicht etwa die besonders favorisierten Kandidaten arbeitgeberseitig zu unterstützen.
Autor: Dr. Andreas Schubert, Rechtsanwalt, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB Freiburg
Quelle: ArbG Köln, Beschluss v. 26.1.2023 (11 BV 101/22)