Anm. zu ArbG Paderborn: Inflationsausgleichsprämie darf auf bestimmte Arbeitnehmergruppen beschränkt werden
Das ArbG Paderborn hat mit Urteil vom 6.7.2023 (1 Ca 54/23) entschieden, dass weder der Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Maßregelungsverbot verletzt ist, wenn der Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie aus sachlichen Gründen auf bestimmte Beschäftigtengruppen beschränkt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit 2009 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Während der Pandemie gerät die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Sie bietet ihren Beschäftigten daher den Abschluss angepasster Arbeitsverträge an. Beschäftigte, die das Angebot annehmen, verzichten auf zuvor versprochene Sonderzahlungen in Form von Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Klägerin ist hiermit nicht einverstanden. Sie erhält weiterhin die zugesagten Sonderleistungen. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten verbessert sich in der Folgezeit. Im Jahr 2022 entscheidet sie, allen Beschäftigten, die auf Sonderzahlungen verzichtet haben, eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen. Die Klägerin erhält die Zahlung nicht und wehrt sich mit ihrer Klage. Sie vertritt die Auffassung, ihr Anspruch ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Außerdem habe die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot verstoßen. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe, anders als ein großer Teil ihrer Beschäftigten, an Sonderzahlungen für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt rund 3.700 € brutto erhalten. Eine Besserstellung derjenigen, die zuvor einen Verzicht erklärt haben, sei zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das ArbG Paderborn gab der Beklagten Recht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete es dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Verboten sei nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung: Dem Arbeitgeber sei es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen oder sachfremden Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Ob ein ausgeschlossener Personenkreis zu Recht ausgenommen sei, entscheide der Zweck der Zahlung. Die Beklagte habe die Inflationsausgleichsprämie nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip ausgezahlt und eine Gruppenbildung vorgenommen. Sie sei dazu berechtigt gewesen, nach sachlichen Gründen zu differenzieren, welche Gruppe von Beschäftigten einen Inflationsausgleich erhalten soll. Einen Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate müsse sie nicht allen Beschäftigten gleichmäßig gewähren. Denn neben dem Ausgleich der Teuerungsrate habe die Beklagte erkennbar auch eine Angleichung der Arbeitsbedingungen verfolgt. Zu Recht habe sie daher allen Beschäftigten, die den Verzicht zuvor mitgetragen haben, einen Ausgleich gegenüber denjenigen Beschäftigten angeboten, die weiterhin Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezogen haben. Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot sei nicht gegeben, da die von der Klägerin erklärte Ablehnung nicht ursächlich für die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme gewesen sei.
Hinweis für die Praxis:
Mittlerweile gibt es einige Gerichtsverfahren, die sich im Zusammenhang mit der Auszahlung von Coronaprämien und Inflationsausgleichsprämien damit befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen den Empfängerkreis beschränken oder die Höhe der Zahlung differenziert vornehmen können. Das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn zeigt, dass tatsächlich nicht immer alle Beschäftigten gleich behandelt werden müssen. Unterschiede sind dort zulässig, wo ein sachlicher Grund für sie besteht. Wann die Voraussetzungen für einen sachlichen Grund vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen. Ein für Unternehmen positiver Ausgang der Prüfung setzt u.a. voraus, dass der Zahlungszweck als wichtiges Auslegungskriterium hinreichend definiert und festgeschrieben wird. Angesichts der Vielzahl der kursierenden Modelle zur Verteilung von Corona- und Inflationsausgleichsprämien auf verschiedene Gruppen von Beschäftigten ist in der Folgezeit mit weiteren Entscheidungen zu rechnen.
Quelle: ArbG Paderborn, Urteil v. 6.7.2023 (1 Ca 54/23)
Autorin: Rechtsanwältin Dr. Sabine Schröter, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Frankfurt am Main