Anm. zu BAG: Benachteiligung bei Bewerbung um Gleichstellungsbeauftragten-Stelle
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Das BAG hat in seinem Urteil vom 17.10.2024 (AZR 214/23) über die Frage entschieden, ob der klagenden zweigeschlechtlichen Person eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, wenn diese sich auf eine auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nur für Frauen ausgeschriebene Position einer Gleichstellungsbeauftragten bewirbt und nach Einladung zum Bewerbungsgespräch eine Absage erhält. Das oberste deutsche Arbeitsgericht hat eine Entschädigung abgelehnt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die klagende Partei bewarb sich 2019 auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten beim Landkreis Schleswig-Holstein. Die klagende Partei ist zweigeschlechtlich, kann weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden und ist als schwerbehinderte Person anerkannt. Sie verfügt über einen Hochschulabschluss als Magistra Juris/Master of Laws (LL.M.) und hat mehrjährige Erfahrung im wissenschaftlichen Dienst an Universitäten. In der Bewerbung bezeichnete sie sich unter anderem als Hermaphrodit.
Die Stellenanzeige des Landkreises richtete sich ausschließlich an Frauen, wie der Wortlaut klar erkennen ließ. Die Ausschreibung beschrieb die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten unter anderem als Mitwirkung bei gleichstellungspolitischen Entscheidungen, Verbesserung der Chancengleichheit und Beratung hilfesuchender Frauen. Nach ihrer Bewerbung im Oktober 2019 wurde die klagende Partei im Dezember 2019 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, an dem jedoch weder der Landrat noch die Schwerbehindertenvertretung teilnahmen. Kurz darauf erhielt sie eine Absage mit der Begründung, dass eine andere Bewerberin ausgewählt worden sei.
Die klagende Partei forderte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. mindestens 7 000 € und führte an, sie sei sowohl im Hinblick auf ihr Geschlecht als auch im Hinblick auf ihre ethische Herkunft und ihre Behinderung benachteiligt worden:
Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und sprach der Klägerin eine Entschädigung i.H.v. 3 500 € zu. Das LAG wies die Berufung des Landkreises gegen dieses Urteil zurück. Der Landkreis legte daraufhin Revision beim BAG ein. Die klagende Partei begehrte die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Das BAG hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab.
Dabei führte es aus, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten sei laut den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften in Schleswig-Holstein ausschließlich mit Frauen zu besetzen. Diese Vorgabe verfolge den legitimen Zweck, die Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst zu fördern, und sei als wesentliche berufliche Anforderung nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.
Das BAG nahm zudem keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts an. Denn der Ausschluss der klagenden Partei beruhe auf den landesgesetzlichen Vorgaben, nach welchen die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten zwingend mit einer Frau zu besetzen sei, und nicht auf einer unzulässigen Benachteiligung wegen ihres zweigeschlechtlichen Geschlechts. Die gesetzliche Regelung ziele darauf ab, Frauen als strukturell benachteiligte Gruppe zu fördern, und sei daher mit Verfassungs- und EU-Recht vereinbar.
Es bestehe auch kein Anspruch wegen anderer Diskriminierungsgründe. Das BAG wies auch
die Behauptungen der Benachteiligung auf Grund ethnischer Herkunft oder Behinderung zurück, da kein Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen und der Ablehnung festgestellt werden konnte.
Das BAG betonte in seiner Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelung. Die Beschränkung auf Frauen im Hinblick auf die Einstellung sei mit Art. 3 Abs. 2 GG (Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern) vereinbar. Der Schutz vor Diskriminierung für zweigeschlechtliche Personen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) trete hier hinter das Ziel der Frauenförderung zurück.
Praxishinweis
Diese Entscheidung bestätigt die Rechtmäßigkeit landesrechtlicher Regelungen, die Frauen bei der Besetzung von Gleichstellungsbeauftragten-Stellen bevorzugen. Damit sind entgegenstehende Entscheidungen der Instanzgerichte, die es auch bezüglich entsprechender Gleichstellungsgesetze in anderen Bundesländern, beispielsweise in Baden-Württemberg, gab, überholt.
Arbeitgeber sollten bei der Formulierung von Stellenausschreibungen jedoch sicherstellen, dass sie sich auf geltende gesetzliche Vorgaben stützen und diese klar kommunizieren. Bewerberinnen und Bewerber können nur dann erfolgreich Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG nachweisbar ist.
Autoren: Rechtsanwalt Dr. Christoph Fingerle und Elsa Rein, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Quelle: BAG, Urteil vom 17.10.2024 (8 AZR 214/23)
Anm. zu BAG: Benachteiligung bei Bewerbung um Gleichstellungsbeauftragten-Stelle
Das BAG hatte in seinem Urteil vom 17.10.2024 (AZR 214/23) über die Frage zu entscheiden, ob der klagenden zweigeschlechtlichen Person eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, wenn diese sich auf eine auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nur für Frauen ausgeschriebene Position einer Gleichstellungsbeauftragten bewirbt und nach Einladung zum Bewerbungsgespräch eine Absage erhält. Das oberste deutsche Arbeitsgericht lehnt eine Entschädigung ab (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die klagende Partei bewarb sich 2019 auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten beim Landkreis Schleswig-Holstein. Die klagende Partei ist zweigeschlechtlich, kann weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden und ist als schwerbehinderte Person anerkannt. Sie verfügt über einen Hochschulabschluss als Magistra Juris/Master of Laws (LL.M.) und hat mehrjährige Erfahrung im wissenschaftlichen Dienst an Universitäten. In der Bewerbung bezeichnete sie sich unter anderem als Hermaphrodit.
Die Stellenanzeige des Landkreises richtete sich ausschließlich an Frauen, wie der Wortlaut klar erkennen ließ. Die Ausschreibung beschrieb die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten unter anderem als Mitwirkung bei gleichstellungspolitischen Entscheidungen, Verbesserung der Chancengleichheit und Beratung hilfesuchender Frauen. Nach ihrer Bewerbung im Oktober 2019 wurde die klagende Partei im Dezember 2019 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, an dem jedoch weder der Landrat noch die Schwerbehindertenvertretung teilnahmen. Kurz darauf erhielt sie eine Absage mit der Begründung, dass eine andere Bewerberin ausgewählt worden sei.
Die klagende Partei forderte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. mindestens 7 000 € und führte an, sie sei sowohl im Hinblick auf ihr Geschlecht als auch im Hinblick auf ihre ethische Herkunft und ihre Behinderung benachteiligt worden:
Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und sprach der Klägerin eine Entschädigung i.H.v. 3 500 € zu. Das LAG wies die Berufung des Landkreises gegen dieses Urteil zurück. Der Landkreis legte daraufhin Revision beim BAG ein. Die klagende Partei begehrte die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Das BAG hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab.
Dabei führte es aus, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten sei laut den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften in Schleswig-Holstein ausschließlich mit Frauen zu besetzen. Diese Vorgabe verfolge den legitimen Zweck, die Gleichstellung von Frauen im öffentlichen Dienst zu fördern, und sei als wesentliche berufliche Anforderung nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.
Das BAG nahm zudem keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts an. Denn der Ausschluss der klagenden Partei beruhe auf den landesgesetzlichen Vorgaben, nach welchen die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten zwingend mit einer Frau zu besetzen sei, und nicht auf einer unzulässigen Benachteiligung wegen ihres zweigeschlechtlichen Geschlechts. Die gesetzliche Regelung ziele darauf ab, Frauen als strukturell benachteiligte Gruppe zu fördern, und sei daher mit Verfassungs- und EU-Recht vereinbar.
Es bestehe auch kein Anspruch wegen anderer Diskriminierungsgründe. Das BAG wies auch
die Behauptungen der Benachteiligung auf Grund ethnischer Herkunft oder Behinderung zurück, da kein Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen und der Ablehnung festgestellt werden konnte.
Das BAG betonte in seiner Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Regelung. Die Beschränkung auf Frauen im Hinblick auf die Einstellung sei mit Art. 3 Abs. 2 GG (Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern) vereinbar. Der Schutz vor Diskriminierung für zweigeschlechtliche Personen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) trete hier hinter das Ziel der Frauenförderung zurück.
Praxishinweis
Diese Entscheidung bestätigt die Rechtmäßigkeit landesrechtlicher Regelungen, die Frauen bei der Besetzung von Gleichstellungsbeauftragten-Stellen bevorzugen. Damit sind entgegenstehende Entscheidungen der Instanzgerichte, die es auch bezüglich entsprechender Gleichstellungsgesetze in anderen Bundesländern, beispielsweise in Baden-Württemberg, gab, überholt.
Arbeitgeber sollten bei der Formulierung von Stellenausschreibungen jedoch sicherstellen, dass sie sich auf geltende gesetzliche Vorgaben stützen und diese klar kommunizieren. Bewerberinnen und Bewerber können nur dann erfolgreich Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG nachweisbar ist.
Autoren: Rechtsanwalt Dr. Christoph Fingerle und Elsa Rein, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Quelle: BAG, Urteil vom 17.10.2024 (8 AZR 214/23)