Anm. zu LAG Rheinland-Pfalz: Teilzeitverlangen – Ablehnung bei entgegenstehenden betrieblichen Gründen

Teilzeit- und Befristungsgesetz

Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 26.9.2024 (2 SLa 9/24) entschieden, dass einem Teilzeitverlangen eines Arbeitnehmers ein schlüssiges Organisationskonzept des Arbeitgebers und damit betriebliche Gründe für die Ablehnung entgegenstehen können (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Der klagende Arbeitnehmer ist bei der beklagten Arbeitgeberin als Labortechniker mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden von Montag bis Freitag mit 7,6 Stunden pro Arbeitstag tätig.

Die Beklagte betreibt ein Mahlwerk für Zement und Spezialbindemittel. Die Zementmahlung und die Herstellung der Bindemittel erfolgen im vollkontinuierlichen 24-Stunden-Betrieb. Der Betrieb wird samstags ab 06:00 Uhr eingestellt und montags ab 06:00 Uhr wieder aufgenommen. Die Beklagte hat ein betriebsinternes Labor, das während der Betriebszeiten als automatisches „Robolab“ betrieben wird. Der eingesetzte Roboter führt die Materialproben den verschiedenen Analysegeräten zu. Das Labor ist mit Mitarbeitern im Zweischichtbetrieb von Montag bis Freitag von 06:00 Uhr bis 21:30 Uhr besetzt. Der Kläger ist der einzige Labortechniker in der Instandhaltung bzw. im Labor. Er beseitigt in seiner Anwesenheitszeit u.a. Störungen und ist für die Fehleranalyse zuständig; Teilzeitkräfte werden von der Beklagten dort nicht beschäftigt.

Mit Schreiben vom 20.4.2023 beantragte der Kläger die Reduzierung seiner Arbeitszeit ab dem 20.7.2023 von bisher 38 auf 26,6 Stunden pro Woche und mit einer Verteilung dergestalt, dass er wöchentlich montags bis donnerstags normal arbeitet und immer freitags sowie alle zwei Wochen montags frei hat.

Daraufhin schrieb die Beklagte am 11.5.2023 bei der Agentur für Arbeit eine dem Teilzeitverlangen des Klägers entsprechende Teilzeitstelle aus, auf die zunächst keine Bewerbungen eingingen.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Schreiben vom 15.6.2023 ab und begründete dies mit entgegenstehen betrieblichen Gründen. Erst im Erörterungsgespräch über den Teilzeitantrag am 15.6.2023 teilte der Kläger mit, dass er einen geeigneten Bekannten habe, der auf der ausgeschriebenen Stelle in Teilzeit arbeiten wolle. Nach der Ablehnung des Antrags mit Schreiben vom 15.6.2023 bewarb sich am 17.6.2023 noch ein Arbeitnehmer auf die bei der Agentur für Arbeit ausgeschriebene Teilzeitstelle.

Der Kläger reichte am 17.7.2024 beim Arbeitsgericht Koblenz Klage auf Zustimmung zur Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit ein. Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der vom Kläger gewünschten Beschäftigung in Teilzeit stünden betriebliche Gründe i.S.d. § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen. Ein betrieblicher Grund liegt gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Das LAG Rheinland-Pfalz überprüfte die Ablehnungsentscheidung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in drei Stufen. Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zu Grunde liegt. Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit diese Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht, wobei auch der Frage nachzugehen ist, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann. Schließlich ist auf einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen, wobei auch die Frage zu klären ist, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zu Grunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden kann.

Nach der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz standen der gewünschten Teilzeitbeschäftigung betriebliche Gründe entgegen. Nach dem betrieblichen Organisationskonzept der Beklagten sei dem Kläger als einzigem Labortechniker der Beklagten die Sicherstellung der technischen Verfügbarkeit aller Labor- bzw. Analysegräte zugewiesen. Die Beklagte habe zur fortlaufenden Qualitätssicherung vorgesehen, dass das Labor mit einem Arbeitszeitvolumen einer Vollzeitkraft (38 Stunden) verteilt auf die Wochentage Montag bis Freitag durch einen Labortechniker besetzt sein müsse, damit insbesondere die Funktionsfähigkeit des Labors dergestalt gewährleistet werden könne, dass Fehlerbehebungen auf Grund aufgetretener Störungen möglichst noch am selben oder spätestens am folgenden Werktag vorgenommen bzw. angegangen werden können. Ein Arbeitgeber sei frei bei der Festlegung des Kontingents an Arbeitsstunden, die er für die Erreichung seiner unternehmerischen Ziele für erforderlich halte. Die vom Kläger gewünschte Teilzeitbeschäftigung hätte zur Konsequenz, dass das Labor etwa am Freitag und darauffolgenden Montag nicht planmäßig mit einem Labortechniker besetzt wäre, so dass akute Störungen ggf. nicht rechtzeitig behoben werden könnten. Die Ernsthaftigkeit eines Konzepts werde dabei nicht schon deswegen in Frage gestellt, weil der Arbeitgeber hiervon Ausnahmen machen müsse, es komme dann auf den Grund der Abweichung an: Krankheits-, Urlaubs- oder sonstige Abwesenheitsvertretungen seien äußere Umstände, die vom Arbeitgeber regelmäßig nicht beeinflusst werden könnten.

Auf das Angebot des Klägers, bei akuten Störfällen außerhalb der gewünschten verringerten Arbeitszeit im Rahmen eines Sondereinsatzes in den Betrieb zu kommen, müsse sich die Beklagte nicht einlassen.

Auch habe die Beklagte in ausreichendem Umfang dargelegt, dass sie sich erfolglos innerhalb der Frist zur Entscheidung über das Verlangen auf Teilzeit um eine nach dem bisherigen Anforderungsprofil der Beklagten geeignete Teilzeitkraft als Ersatz für das Teilzeitverlangen des Klägers bemüht habe. Da die Beklagte die Ablehnungsentscheidung am 15.6.2023 getroffen habe, sei die erst am 17.6.2023 eingegangene Bewerbung nicht mehr zu berücksichtigen. Die Mitteilung des Klägers am 15.6.2023 über die Bereitschaft eines Bekannten habe nicht ausgereicht, der auch nicht die erforderliche Berufsqualifikation gehabt hätte.

Hinweise für die Praxis:

In der Praxis sind streitige Verfahren auf Zustimmung zu einer verweigerten Teilzeitbeschäftigung zurückgegangen. Arbeitgeber versuchen gerade bei Fachkräftemangel i.d.R., Teilzeitwünsche der Arbeitnehmer mit ihren Arbeitsabläufen in Übereinstimmung zu bringen. Es bleiben aber Fälle, in denen das nicht möglich ist.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat im entschiedenen Fall nach Prüfung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung des Arbeitgebers festgestellt, was in der Praxis eher die Ausnahme sein dürfte. Es ist nicht einfach, ein schlüssiges Organisationskonzept gem. § 8 Abs. 4 TzBfG in einem gerichtlichen Verfahren darzustellen, dem betriebliche Gründe zu entnehmen sind, die einem Antrag auf Teilzeit (wirklich) entgegenstehen. Im vorliegenden Grund war das einfacher, weil es nur einen Arbeitnehmer mit den erforderlichen Qualifikationen gab, aber keine Ersatzkraft.

Ein Arbeitgeber muss jedenfalls nach Eingang eines Antrags auf Teilzeit rasch handeln, er muss prüfen, ob betriebliche Gründe dem Antrag entgegenstehen, er muss entscheiden, ob er den Antrag überhaupt ablehnen will, v.a. muss er gem. § 8 Abs. 5 TzBfG seine Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung in Textform mitteilen. Lehnt der Arbeitgeber die Verringerung bzw. die Verteilung der Arbeitszeit nicht in Textform innerhalb der gesetzlichen Frist ab, gilt die Verringerung bzw. die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt.

Autor:   Rechtsanwalt Dr. Stefan Daub, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle:  LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.9.2024 (2 SLa 9/24)