BAG: Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes; sozialrechtliche Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung
Kündigungsschutzgesetz
BAG, Urteil vom 07.02.2024, 5 AZR 177/23
Verfahrensgang: ArbG Stuttgart, 19 Ca 1253/21 vom 26.11.2021
LAG Baden-Württemberg, 3 Sa 100/21 vom 29.12.2022
Leitsatz:
Orientierungssätze:
1. Die Beurteilung der Böswilligkeit iSv. § 11 Nr. 2 KSchG erfordert stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen. Hierbei kann eine Verletzung sozialrechtlicher Handlungspflichten durch den Arbeitnehmer zu berücksichtigen sein, zB ein Verstoß gegen die Verpflichtung, sich nach § 38 Abs. 1 SGB III arbeitsuchend zu melden. Ebenso können sich im Einzelfall aus der Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III, wonach der Arbeitnehmer zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten ist, Anknüpfungspunkte für die Konkretisierung des böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes ergeben (Rn. 19 f.). Ausgehend hiervon ist auch ein Verhalten des Arbeitnehmers zu seinen Lasten zu berücksichtigen, mit dem er verhindert, dass die Agentur für Arbeit ihrem Vermittlungsauftrag nachkommt (Rn. 36).
2. Anrechenbar nach § 11 Nr. 2 KSchG ist nur böswillig unterlassener Verdienst aus anderweitiger zumutbarer Arbeit. Die Zumutbarkeit beurteilt sich insbesondere nach der Art der Arbeit, der Person des Arbeitgebers oder den sonstigen Arbeitsbedingungen. Auch hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Dritten folgt die Unzumutbarkeit nicht allein aus einem im Verhältnis zum bisherigen niedrigeren Verdienst. Es ist jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ermitteln, inwieweit eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zB nach der Art der Tätigkeit, der Arbeitszeit oder des Ortes der anderweitigen Beschäftigung sowie hinsichtlich des Verdienstes hinnehmbar ist. Dabei muss der Arbeitnehmer eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich nicht akzeptieren (Rn. 21 ff.).
Tatbestand:
Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Bedeutung - über Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 30. August 2020.
Der 1966 geborene Kläger ist seit dem 13. Mai 1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt als Maschinenbeschicker. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung.
Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis am 23. November 2017 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers wurde erstinstanzlich mit Urteil vom 14. März 2019 (- 13 Ca 367/17 -) abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers stellte das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. Juli 2020 (- 3 Sa 51/19 -) fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung(en) der Beklagten nicht aufgelöst worden ist und gab dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers statt. Ab dem 31. August 2020 setzte der Kläger seine Beschäftigung als Maschinenbeschicker im Wege der Zwangsvollstreckung durch. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 2020 (- 2 AZN 920/20 -) als unzulässig verworfen.
Der Kläger führte am 7. Dezember 2017 bei der Agentur für Arbeit ein persönliches Gespräch, nachdem er zuvor den Zugang der Kündigung(en) mitgeteilt hatte. Für die Zeit vom 28. November 2017 bis zum 15. Februar 2018 verhängte die Agentur für Arbeit wegen der außerordentlichen Kündigung eine Sperrzeit. Danach bezog der Kläger bis zum 25. Januar 2019 Arbeitslosengeld I. Während dieser Zeit unterbreitete die Agentur für Arbeit dem Kläger keine Stellenangebote, weil er - wie sich aus vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommener E-Mail-Korrespondenz ergibt - dies nicht wünschte und mitgeteilt hatte, er könne sich bewerben, wenn man ihn dazu zwinge. Er werde einem potentiellen Arbeitgeber aber bei Bewerbungen - noch vor einem Vorstellungsgespräch - mitteilen, dass ein Gerichtsverfahren mit dem letzten Arbeitgeber laufe und er unbedingt dort weiterarbeiten wolle. Eigenständige Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung unternahm er in diesem Zeitraum nicht. Die Beklagte hat ihm keine Stellenangebote übermittelt, auf die er sich hätte bewerben und zumutbaren Verdienst erzielen können.
Von Februar 2019 bis Juni 2019 bezog der Kläger gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin monatliche Leistungen vom Jobcenter des O in Höhe von 212,20 Euro, zudem für März 2019 weitere 149,60 Euro. Der Kläger hat aus der Zeit von Mai 2019 bis November 2019 verschiedene Bewerbungsbemühungen vorgetragen, welche die Beklagte im Einzelnen bestritten hat. Vom 29. Juli 2019 bis zum 31. August 2019 arbeitete der Kläger bei der X GmbH und erhielt hierfür eine Vergütung von insgesamt 2.083,33 Euro brutto. Vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Juli 2020 war er geringfügig bei der M gGmbH beschäftigt. Hierbei verdiente er insgesamt 2.663,57 Euro brutto.
Mit seiner Klage hat der Kläger Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er sei nicht verpflichtet gewesen, sich um einen anderen Dauerarbeitsplatz zu bemühen. Indem er sich arbeitsuchend gemeldet habe, sei er seinen sozialrechtlichen Handlungspflichten nachgekommen. Weitere Bemühungen habe er nicht entfalten müssen, weil die Agentur für Arbeit dies nicht verlangt habe. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld II habe er die Weisungen des Jobcenters und dessen Vermittlungsangebote beachtet. Zudem habe er sich dann initiativ um andere Arbeitsplätze beworben und andere Arbeit tatsächlich angenommen.
Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat der Kläger zuletzt - im Einzelnen monatsweise mit den jeweiligen Abzügen aufgeschlüsselt - sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 103.200,35 Euro brutto abzgl. 17.100,51 Euro netto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Kläger habe es böswillig unterlassen einen anderweitigen Verdienst zu erzielen. Angesichts der seit Jahrzehnten geringsten Arbeitslosenquote insbesondere im O wäre er spätestens ab dem 1. Dezember 2017 in der Lage gewesen, eine anderweitige Beschäftigung zu erlangen, die zumindest die Erzielung eines Monatsentgelts in der Größenordnung von 3.100,00 Euro brutto ermöglicht hätte. Eine konkrete Arbeitsmöglichkeit habe sie nicht aufzeigen müssen. Vielmehr hätte der Kläger nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast vortragen müssen, dass und aus welchen Gründen er eine Stelle nicht habe erlangen können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 30. August 2020 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers - unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten - das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage auch für den Zeitraum von Januar 2018 bis März 2019 stattgegeben. Mit der vom Senat nachträglich zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger stünden die geltend gemachten Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, da böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs iSd. § 11 Nr. 2 KSchG nicht in Betracht komme, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend über die Begründetheit der Klage entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO).
I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gerichteten Klage nicht stattgegeben werden. Die zur Beurteilung der Böswilligkeit eines etwaigen Unterlassens anderweitigen Erwerbs im Rahmen von § 11 Nr. 2 KSchG vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Annahmeverzugs in dem in der Revision noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. August 2020 erfüllt sind. Die Beklagte hat den Kläger in dieser Zeit nicht beschäftigt und befand sich aufgrund ihrer unwirksamen Arbeitgeberkündigung(en) im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB), ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung erforderlich gewesen wäre (BAG 29. März 2023 - 5 AZR 255/22 - Rn. 13 mwN). Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Dies gilt im Wesentlichen auch für die Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum geschuldeten Vergütung. Bei der Differenz von 0,01 Euro zwischen der vom Kläger ab April 2018 eingeklagten und vorinstanzlich zugesprochenen monatlichen Bruttovergütung von 3.045,77 Euro und den Angaben der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 11. Mai 2021 dürfte es sich um ein Rundungs- oder Schreibversehen handeln. Dies wird im fortgesetzten Berufungsverfahren aufzuklären sein.
2. Da im Streitzeitraum nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 16. Juli 2020 (- 3 Sa 51/19 -) das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, richtet sich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG und nicht nach dem weitgehend inhaltsgleichen § 615 Satz 2 BGB (vgl. BAG 8. September 2021 - 5 AZR 205/21 - Rn. 12 mwN). Auch dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.
3. Der Kläger hat im Rahmen seiner Antragstellung den nach § 11 Nr. 1 KSchG anzurechnenden tatsächlich erzielten anderweitigen Verdienst berücksichtigt. Entsprechendes gilt für die von ihm im Streitzeitraum bezogenen öffentlich-rechtlichen Leistungen, hinsichtlich derer er mit Blick auf den kraft Gesetzes eintretenden Anspruchsübergang (§ 115 Abs. 1 SGB X) nicht mehr aktivlegitimiert war. Diese Abzüge sind zwischen den Parteien nicht streitig.
4. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann jedoch der von der Beklagten erhobene Einwand, der Kläger habe böswillig anderweitigen Erwerb unterlassen (§ 11 Nr. 2 KSchG), nicht zurückgewiesen werden.
a) § 11 Nr. 2 KSchG bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
aa) Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Der Arbeitnehmer darf auch nicht vorsätzlich verhindern, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird (BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 22; 22. März 2017 - 5 AZR 337/16 - Rn. 17; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 95). Böswilligkeit setzt dabei nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht allerdings nicht aus (BAG 24. Januar 2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 30; 11. Januar 2006 - 5 AZR 98/05 - Rn. 18, BAGE 116, 359).
bb) In § 11 Nr. 2 KSchG wird dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers auferlegt. Der Arbeitnehmer soll seine Annahmeverzugsansprüche nicht ohne Rücksicht auf den Arbeitgeber durchsetzen können (vgl. BAG 11. Januar 2006 - 5 AZR 125/05 - Rn. 16, BAGE 116, 355). Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls (BAG 19. Januar 2022 - 5 AZR 346/21 - Rn. 31; 8. September 2021 - 5 AZR 205/21 - Rn. 13). Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist damit stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (BAG 19. Mai 2021 - 5 AZR 420/20 - Rn. 15).
cc) Im Rahmen dieser Gesamtabwägung kann eine Verletzung sozialrechtlicher Handlungspflichten zu berücksichtigen sein. Dies hat der Senat bereits für eine Verletzung der in § 38 Abs. 1 SGB III geregelten Pflicht, sich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt einer außerordentlichen Kündigung bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, entschieden (BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 21; 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 47, BAGE 170, 327). Die sozialrechtlichen Handlungspflichten verfolgen zwar vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke, sie können aber dennoch im Rahmen der Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug zu berücksichtigen sein. Dem Arbeitnehmer kann grundsätzlich auch arbeitsrechtlich das zugemutet werden, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt. Die sozialrechtlichen Handlungspflichten können daher bei der Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens am Maßstab der gemeinsamen Vertragsbeziehung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht außer Acht gelassen werden (BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 22; für eine "Ausstrahlung" Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 174a). Im Rahmen der sozialrechtlichen Gesetzeslage kann daher auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten ist (vgl. BAG 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 47, BAGE 170, 327; APS/Biebl 7. Aufl. KSchG § 11 Rn. 22; ErfK/Kiel 24. Aufl. KSchG § 11 Rn. 8; Witteler/Brune NZA 2020, 1689, 1691, jeweils mwN).
dd) Meldet sich der Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend und geht er deren Vermittlungsangeboten nach, wird ihm regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen sein. Aus § 11 Nr. 2 KSchG kann allerdings nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Fall ein zumutbares Angebot der Agentur für Arbeit abwarten. Vielmehr kann die Abwägung der Interessen im Einzelfall für ihn auch die Obliegenheit begründen, ein eigenes Angebot abzugeben, wenn sich ihm eine realistische zumutbare Arbeitsmöglichkeit bietet (dazu BAG 22. März 2017 - 5 AZR 337/16 - Rn. 27; 11. Januar 2006 - 5 AZR 98/05 - Rn. 19, BAGE 116, 359; BeckOGK/Schwarz Stand 1. Dezember 2023 KSchG § 11 Rn. 61). Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht generell und ohne weiteres verpflichtet, sich unermüdlich um eine zumutbare Arbeit zu kümmern (anders LAG Berlin-Brandenburg 30. September 2022 - 6 Sa 280/22 - Rn. 153, wonach der Arbeitnehmer in einer solchen Situation verpflichtet sei, im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle Bewerbungsbemühungen zu entfalten). Hiergegen spricht, dass § 11 Nr. 2 KSchG, der an § 615 Satz 2 BGB anknüpft (so die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 9 KSchG, der dem heutigen § 11 KSchG entspricht, RdA 1951, 61, 64), letztlich wie § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält (so bereits Motive zum BGB 1888 Bd. 2 S. 209). Sie verlangt im Rahmen einer Gesamtabwägung die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zu berücksichtigen (st. Rspr., zuletzt BAG 24. Januar 2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 29; NK-GA/Boemke 2. Aufl. BGB § 615 Rn.115; Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 168; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 87; HWK/Krause 10. Aufl. § 615 BGB Rn. 94; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 95 f.; Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 56, jeweils mwN). Hieraus folgt aber auch, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer geeignete Stellenangebote, zB aus Zeitungsannoncen oder privaten "Jobportalen" zu übermitteln, um ihn aktiv zur Prüfung anderweitiger Beschäftigungsoptionen zu veranlassen (MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 87; dazu bereits BAG 16. Mai 2000 - 9 AZR 203/99 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 94, 343).
ee) Die anderweitige Arbeit muss zumutbar sein. Dies beurteilt sich insbesondere nach der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen (vgl. BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 14 mwN; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 95).
(1) Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Tätigkeit folgt nicht allein schon aus einem geringeren Verdienst im Verhältnis zum bisherigen. Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung für eine Beschäftigungsmöglichkeit beim kündigenden Arbeitgeber (dazu BAG 16. Juni 2004 - 5 AZR 508/03 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 111, 123; zust. Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 58; MHdB ArbR/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 74). Denn § 11 Nr. 2 KSchG schließt den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber eine vertragswidrige Arbeit anbietet, weil das Angebot vertragsgerechter Arbeit zur Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrags bereits den Annahmeverzug beenden würde (BAG 19. Januar 2022 - 5 AZR 346/21 - Rn. 31; 7. Februar 2007 - 5 AZR 422/06 - Rn. 16 f., BAGE 121, 133 unter Aufgabe von BAG 3. Dezember 1980 - 5 AZR 477/78 - zu II 3 der Gründe). Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Arbeitnehmer wegen des Annahmeverzugs seine bisherige Vergütung fortgezahlt erhält, wenn er im Kündigungsschutzprozess obsiegt (Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 59; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 84).
(2) Hiervon ausgehend ist kein Grund ersichtlich, warum in Bezug auf eine Beschäftigungsmöglichkeit bei einem Dritten anderes gelten soll (im Ergebnis auch KR/Spilger 13. Aufl. § 11 KSchG Rn. 50; enger Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 172; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 89). Inwieweit der Arbeitnehmer eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sowohl der Art, der Arbeitszeit und des Ortes der anderweitigen Beschäftigung sowie des Verdienstes hinnehmen muss, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich nicht hinnehmen ( KR/Spilger 13. Aufl. § 11 KSchG Rn. 50; MHdB ArbR/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 76). Die andere Tätigkeit darf auch nicht mit den Pflichten aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis kollidieren, weshalb beispielsweise die Aufnahme einer gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßenden Konkurrenztätigkeit unzumutbar wäre (BeckOGK/Bieder Stand 1. Juli 2022 BGB § 615 Rn. 94; Schubert/Jörgensen BB 2023, 55, 58; MHdB ArbR/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 76).
(3) Die in § 140 SGB III normierten Anforderungen an eine zumutbare Beschäftigung sind bei der Beurteilung des böswilligen Unterlassens eines anderweitigen Verdienstes - ebenso wie die anderen Bestimmungen des SGB III - nicht "eins zu eins" zu berücksichtigen. Insoweit ist zu beachten, dass Ziel dieser Regelung ist, einen Beschäftigungsschub und damit letztlich über verbesserte Funktionsfähigkeit der Marktmechanismen eine Verringerung der Lohnnebenkosten zu erreichen. Die Beschäftigungssuche erfordere nicht nur, dass der Arbeitslose willens ist, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen, sondern darüber hinaus, dass er sich selbst aktiv unter Nutzung aller Möglichkeiten, die sich ihm bieten, um eine neue Beschäftigung bemühe, um den Versicherungsfall schnellstmöglich zu beenden (so die Gesetzesbegründung zu der Vorgängerreglung in § 121 SGB III, die § 140 SGB III entspricht, BT-Drs. 13/4941 S. 145). Dies geht deutlich über das hinaus, was der Zweck des § 11 Nr. 2 KSchG bei der Bestimmung böswillig unterlassenen Verdienstes vom Arbeitnehmer verlangt (dazu Rn. 18). Das bedeutet, dass die in § 140 Abs. 3 und Abs. 4 SGB III enthaltenen Entgeltgrenzen und zumutbaren Pendelzeiten nicht bei der Auslegung und Anwendung des § 11 Nr. 2 KSchG herangezogen werden können (so auch BeckOK BGB/Baumgärtner Stand 1. Februar 2024 § 615 Rn. 42).
(4) Ausgehend hiervon wäre - worauf vorliegend der Kläger hinweist - jedenfalls eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I läge, während des Bezugszeitraums dieser Leistung nicht als zumutbar anzusehen. Weder erfordert die Rücksichtnahme auf den im Annahmeverzug befindlichen Arbeitgeber die Aufnahme einer solchen Tätigkeit, noch handelt der Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn er sich für den Bezug der ihn finanziell besser stellenden öffentlich-rechtlichen Leistung entscheidet. Schließlich besteht auch für ihn ein Prozessrisiko im Kündigungsschutzverfahren und damit die Ungewissheit, ob ihm später Vergütungsnachzahlungen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zustehen werden. Andererseits käme ein böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst in Betracht, wenn der Kläger eine anderweitige Arbeit nicht aufgenommen oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert hat, bei der er etwas weniger als zuvor verdient hätte und die Arbeit insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Art, der Entfernung der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit zumutbar gewesen wäre.
b) Bei der Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Böswilligkeit" und "Zumutbarkeit" kommt dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, bei der Unterordnung des festgestellten Sachverhalts unter diesen Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind und bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden oder das Ergebnis in sich widersprüchlich ist (BAG 24. Januar 2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 32; 19. Januar 2022 - 5 AZR 346/21 - Rn. 33).
c) Die Beweislast für die Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, der mit dem Ausspruch der unwirksamen Kündigung die Ursache für den Annahmeverzug gesetzt hat (BAG 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 27 mwN, BAGE 170, 327; MüKoBGB/Hergenröder 9. Aufl. KSchG § 11 Rn. 18; zu § 615 BGB vgl. bereits Motive zum BGB 1888 Bd. 2 S. 209).
aa) Der Arbeitgeber hat grundsätzlich im ersten Schritt konkret darzulegen, dass für den Arbeitnehmer im Verzugszeitraum Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden. In Bezug auf die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit hat er ergänzend einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer (zu den Anforderungen im Einzelnen BAG 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 30 ff., BAGE 170, 327). Den Arbeitnehmer trifft insoweit unter Berücksichtigung der aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO folgenden Pflicht, sich zu den vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären, eine sekundäre Darlegungslast (dazu allgemein BGH 8. Februar 2024 - IX ZR 107/22 - Rn. 39; 8. März 2021 - VI ZR 505/19 - Rn. 27, jeweils mwN; MüKoZPO/Fritsche 6. Aufl. ZPO § 138 Rn. 25). Die sekundäre Darlegungslast führt allerdings weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.
Legt der Arbeitnehmer in diesem Rahmen dar, dass er sich nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet hat und deren Vermittlungsangeboten sachgerecht nachgegangen ist, wird ihm regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen sein. Zu den unterbreiteten Vermittlungsvorschlägen und seinen hierauf folgenden Bemühungen hat er sich dabei im Prozess näher zu erklären (vgl. BAG 27. Mai 2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 27 mwN, BAGE 170, 327). Die Feststellungslast hinsichtlich der Fragen, ob diese Vermittlungsvorschläge "zumutbare" und im Fall einer Bewerbung verwirklichbare Erwerbschancen dargestellt haben, bleibt beim Arbeitgeber. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber im Annahmeverzugsprozess darlegt und im Streitfall beweist, dass er dem Arbeitnehmer geeignete Stellenangebote übermittelt hat. Mit diesen hat sich der Arbeitnehmer - im zumutbaren Rahmen - auseinanderzusetzen und sich zu bewerben. Hierzu hat sich der Arbeitnehmer zu erklären und darzulegen, was er unternommen hat.
bb) In Sonderfällen kann, auch in Anlehnung an den Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung (§ 162 BGB), eine interessengerechte Abstufung der Darlegungs- und Beweislast erforderlich sein. Hierbei sind die jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen und ebenso die Anknüpfungspunkte, die sozialrechtliche Pflichten für die Konkretisierung des unterlassenen anderweitigen Verdienstes bilden (vgl. dazu auch BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 31 f.). Dies gilt ua. für den Fall, dass ein Arbeitnehmer zwar der in § 38 Abs. 1 SGB III geregelten Meldepflicht nachkommt, aber zugleich durch sein Verhalten veranlasst, dass ihm die Agentur für Arbeit tatsächlich keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet.
(1) Auch in diesem Fall einer nur formal ordnungsgemäßen Meldung bei der Agentur für Arbeit bleibt im Ausgangspunkt schlüssiger Vortrag des darlegungs- und beweisbelasteten Arbeitgebers zu konkreten und zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeiten erforderlich. Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein Arbeitnehmer, der Vermittlungsangebote verhindere, könne nicht besser gestellt werden als derjenige, der sich auf ihm vorliegende Vermittlungsangebote nicht bewirbt. Weder das eine noch das andere Verhalten ist schutzwürdig. Wenn die Agentur für Arbeit einem Arbeitnehmer auf dessen Veranlassung keine Vermittlungsangebote unterbreitet hat, hat er über die hypothetisch möglichen Stellenvorschläge ebenso wenig Kenntnis wie der im Annahmeverzug befindliche Arbeitgeber. Dieser kann sich im Streitzeitraum aber zB über die öffentlich zugänglichen Angebote der Agentur für Arbeit (Selbstinformationseinrichtungen iSd. § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB III) Kenntnis über bestehende Vermittlungsmöglichkeiten verschaffen. Er hat also die Möglichkeit, bei Anwendung der ihm im eigenen Interesse treffenden Sorgfalt zu Beschäftigungsmöglichkeiten vorzutragen und damit seiner primären Darlegungslast nach § 11 Nr. 2 KSchG zu genügen.
(2) Benennt der Arbeitgeber - ggf. auch über eine nachträgliche amtliche Auskunft der Agentur für Arbeit - im Annahmeverzugsprozess über diese zu besetzende und zumutbare Stellen, trägt der Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Bedingungsvereitelung im Weiteren die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Bewerbung auf eine solche Stelle erfolglos gewesen wäre. Er hat nämlich durch sein Verhalten gegenüber der Agentur für Arbeit verhindert, dass ihm die Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich angeboten wurden und er Angaben zum Ablauf und den Details einer Bewerbung auf diese Stellen machen kann. Kommt das Gericht nach § 286 Abs. 1 ZPO zu der notwendigen Überzeugung, eine Bewerbung des Arbeitnehmers wäre erfolgreich gewesen, kann bezüglich des Beginns des Arbeitsverhältnisses und der Höhe des Verdienstes auch eine Schätzung in entsprechender Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen.
5. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hält die vom Landesarbeitsgericht zur Beurteilung der Böswilligkeit vorgenommene Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es hat nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und sie nicht widerspruchsfrei gewürdigt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat wesentlich darauf abgestellt, dass der Kläger sich nach Erhalt der Kündigung(en) umgehend arbeitslos gemeldet und damit "das seinerseits erforderliche getan" habe. Er habe seine sozialrechtlichen Handlungspflichten erfüllt und alles eingehalten, was die für ihn zuständige Sachbearbeiterin der Agentur für Arbeit verlangt habe. Ebenso habe das Jobcenter (für die Zeit ab Februar 2019) bestätigt, dass der Kläger ausreichende Anstrengungen unternommen habe, um seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Seine Bewerbungsbemühungen hätten schließlich auch zu dem Arbeitsverhältnis mit der X GmbH vom 29. Juli 2019 bis zum 31. August 2019 und ab Februar 2020 zur Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung geführt. Die Beklagte habe dem Kläger keine Stellenangebote unterbreitet und zudem das Arbeitsverhältnis zu Unrecht gekündigt. Insgesamt könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Klägers ihn "dem Grunde nach" dem Vorwurf des böswilligen Unterlassens aussetzen würde.
b) Im Rahmen dieser Abwägung hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Es hat vor allem nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger durch seine Äußerungen gegenüber der Agentur für Arbeit die Ursache dafür gesetzt hat, dass ihm von dieser über ein Jahr lang (von Ende 2017 bis Januar 2019) keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet wurden.
aa) Wie sich aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und der Agentur für Arbeit ergibt, hat er der zuständigen Sachbearbeiterin mitgeteilt, er könne sich anderweitig bewerben, wenn man ihn dazu zwinge. Er werde einem potentiellen Arbeitgeber aber bei Bewerbungen - noch vor einem Vorstellungsgespräch - mitteilen, dass ein Gerichtsverfahren mit dem letzten Arbeitgeber laufe und er unbedingt dort weiterarbeiten wolle. Dieses Verhalten ist - auch unter Berücksichtigung sozialrechtlicher Handlungspflichten - in der Interessenabwägung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Zwar ist es richtig, dass ein Arbeitnehmer in der Situation des Klägers auf die Frage eines potentiellen neuen Arbeitgebers im Bewerbungsprozess Angaben dazu machen darf bzw. muss, wie sich die Situation bezüglich des gekündigten "vorherigen" Arbeitsverhältnisses darstellt (vgl. Erman/Riesenhuber 17. Aufl. BGB § 615 Rn. 60; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 89; so bereits BAG 18. Oktober 1958 - 2 AZR 291/58 - zu II der Gründe, BAGE 6, 306). Auch kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich gegen unwirksame Kündigung(en) gewehrt hat und das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortsetzen wollte. Der Kläger hat jedoch eine Vorgehensweise angekündigt, mit der er von vornherein verhindern wollte und konnte, dass seine Bewerbung in die engere Wahl kommen könnte. Ein ungefragter Hinweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren mit dem bisherigen Arbeitgeber schon vor einem Vorstellungsgespräch entspricht nicht dem Verhalten einer tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person (vgl. zur sozialrechtlichen Perspektive BSG 5. September 2006 - B 7a AL 14/05 R - Rn. 19 ff., BSGE 97, 73 - Der Arbeitslose ist [bei Abfassen einer Bewerbung] gehalten, alle Bestrebungen zu unterlassen, die [der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses] nach außen hin erkennbar entgegenlaufen und den Arbeitgeber veranlassen, ihn schon vor einer persönlichen Vorstellung aus dem Bewerberkreis auszuscheiden.).
bb) Das Verhalten der Agentur für Arbeit, die ihren Vermittlungsauftrag nicht wahrgenommen hat, entlastet den Kläger nicht. Denn er hat es bei lebensnaher Betrachtung hierauf gerade angelegt. Damit hat er im Ergebnis verhindert, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten werden konnte. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, indem es lediglich auf die bloße formal ordnungsgemäße Arbeitsuchendmeldung abgestellt und diese als ausreichend gewertet hat.
c) Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Berücksichtigung dieses Verhaltens des Klägers, mit dem er im Ergebnis den Zweck der Pflicht zur Meldung bei der Agentur für Arbeit - den Versuch der Arbeitsvermittlung - vereitelt hat, nicht entgegen. Anders als das Landesarbeitsgericht gemeint hat, wäre auch ein unterstelltes Vertrauen des Klägers darauf, dass sogar das vollständige Unterlassen der Meldung bei der Agentur für Arbeit nach der Entscheidung des Neunten Senats vom 16. Mai 2000 (- 9 AZR 203/99 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 94, 343) nicht bei der Prüfung böswilligen Unterlassens iSv. § 11 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sei, nicht schutzwürdig (vgl. BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 24 ff.). Die dahingehende Argumentation des Berufungsgerichts ist zudem nicht widerspruchsfrei. Wenn - so das Landesarbeitsgericht - vom Kläger als Maschinenbeschicker ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht verlangt werden könne, eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu antizipieren oder zur Kenntnis zu nehmen, kann auch nicht angenommen werden, er habe sich wegen der Entscheidung des Neunten Senats aus dem Jahr 2000 nicht zur Arbeitslosmeldung verpflichtet fühlen müssen.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht zu Gunsten des Klägers auf dessen Bewerbungsbemühungen abgestellt hat, hat es den festgestellten Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt. Es hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Kläger solche Bemühungen nach seinem eigenen Vortrag nur in einem wenige Monate umfassenden Zeitraum unternommen hat. Von Januar 2018 bis Mai 2019 und von Dezember 2019 bis August 2020 hat er nämlich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung vorgetragen. Der Berücksichtigung dieses Verhaltens steht auch nicht die ab Februar 2020 aufgenommene Tätigkeit für die M gGmbH entgegen. Zwar mag der Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung je nach den Umständen des konkreten Falls ausreichen, um böswilliges Unterlassen (weiteren) Verdienstes auszuschließen. Die Aufnahme einer lediglich geringfügigen Beschäftigung ist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die vorliegend nicht festgestellt (und auch nicht vorgetragen) sind, aber nicht ausreichend. Insoweit ist zu beachten, dass der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, dass das Unterlassen eines anderweitigen Erwerbs auch dann böswillig sein kann, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung zufrieden gibt (BAG 24. Januar 2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 30; ebenso bereits BAG 20. Januar 1967 - 3 AZR 253/66 - zu 5 a der Gründe, BAGE 19, 194).
e) Indem das Berufungsgericht im Rahmen der Abwägung für maßgeblich erachtet hat, dass das Jobcenter die Bemühungen des Klägers als ausreichend angesehen habe, hat es nicht den richtigen Bewertungsmaßstab angelegt. Die sozialrechtlichen Handlungspflichten sind bei der Gesamtabwägung in den Blick zu nehmen, aber nicht "eins zu eins" bei der Bestimmung des böswilligen Unterlassens heranzuziehen. Sie bilden Anknüpfungspunkte für die Konkretisierung des böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes (BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 22). Böswilligkeit kann also nicht allein mit dem Verweis auf die Anforderungen, die das Jobcenter gestellt hat, verneint werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls das Maß erforderlicher Bemühungen zu bestimmen (ähnlich auch BSG 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R - Rn. 18 f., BSGE 121, 268).
f) Soweit das Landesarbeitsgericht in der Gesamtabwägung darauf abgestellt hat, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis zu Unrecht gekündigt und damit ihre Treuepflicht in besonderer Weise verletzt habe, trägt der festgestellte Sachverhalt eine besondere Berücksichtigung der Kündigungsumstände nicht. Eine Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG setzt immer eine unwirksame Arbeitgeberkündigung voraus. Besondere Umstände, wie mehrfache vorangegangene unwirksame und zurückgenommene Kündigungen, können zwar berücksichtigt werden (vgl. BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 30). Dass solche Umstände vorliegend gegeben waren, hat das Landesarbeitsgericht aber nicht festgestellt. Es hat auch nicht ausgeführt, weshalb die vorliegende Kündigung, die erstinstanzlich für wirksam erachtet wurde, eine besondere Treuepflichtverletzung darstellen soll.
II. Die festgestellten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Berufungsurteils, § 562 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 561 ZPO). Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über die Begründetheit der Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nicht abschließend entscheiden, zumal die Anwendung und Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Zumutbarkeit" und "Böswilligkeit" in erster Linie Sache der Tatsachengerichte ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Gewährleistung eines fairen Verfahrens (dazu BAG 7. Februar 2019 - 6 AZR 84/18 - Rn. 30; 23. August 2017 - 10 AZR 859/16 - Rn. 20, BAGE 160, 57) gebieten es zudem, den Parteien im fortgesetzten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag auch zur Frage zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben. Das führt zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Hierbei hat der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
1. Das Landesarbeitsgericht wird im fortgesetzten Berufungsverfahren im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung prüfen müssen, ob das Verhalten des Klägers ein böswilliges Unterlassen iSd. § 11 Nr. 2 KSchG darstellte. Hierbei wird es zu berücksichtigen haben, dass der Kläger sich zwar formal ordnungsgemäß bei der Agentur für Arbeit gemeldet, zugleich aber mit seinem übrigen Verhalten tatsächliche Vermittlungsbemühungen verhindert hat. Um anderweitige Stellen beworben hat er sich erst mehr als ein Jahr später. Sobald er dies tat, gelang es ihm, eine anderweitige Verdienstmöglichkeit zu finden. Das könnte dafür sprechen, dass die in dieser Zeit unternommenen Bemühungen ausreichend waren. Umgekehrt mag dies aber auch ein Anhaltspunkt dafür sein, dass es ihm möglich gewesen wäre, eine entsprechende Stelle bereits früher zu finden.
2. Sollte das Landesarbeitsgericht ein böswilliges Unterlassen bejahen, wird es zu prüfen und - ggf. im Rahmen einer Schätzung in analoger Anwendung von § 287 ZPO - festzustellen haben, in welcher Höhe und ab wann der Kläger einen anrechenbaren Verdienst hätte erzielen können (sh. Rn. 30 ff.).
a) Die Beklagte hat - ggf. unter Einholung einer amtlichen Auskunft der Agentur für Arbeit - zu einzelnen zumutbaren Tätigkeitsmöglichkeiten, die im Streitzeitraum über die Agentur für Arbeit hätten vermittelt werden können, vorzutragen. Der bisherige Vortrag der Beklagten ist nicht hinreichend konkret. Allein aus Statistiken lässt sich nicht das Vorhandensein einer tatsächlichen zumutbaren Arbeitsmöglichkeit ableiten. Abgesehen davon sind die von der Beklagten vorgetragenen statistischen Angaben weder auf den Tätigkeitsbereich des Klägers (unter Berücksichtigung des bestehenden Wettbewerbsverbots) zugeschnitten, noch berücksichtigen sie seine persönlichen Voraussetzungen (fehlende Berufsausbildung). Holt die Beklagte entsprechenden Vortrag nach, trägt in einem Fall wie dem vorliegenden der Kläger die Feststellungslast (sh. Rn. 32), weil er durch sein Verhalten die Ursache dafür gesetzt hat, dass vorhandene Stellen ihm nicht vorgeschlagen wurden und er daher nicht zum realen Ablauf einer Bewerbung vortragen kann.
b) Die Beklagte kann sich auch auf zumutbare Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit - zB mit Blick auf die in das Verfahren eingeführten Zeitungsannoncen - berufen. Auch insoweit ist es jedoch an ihr, konkrete Stellen zu benennen, die unter Berücksichtigung der Verdienstmöglichkeiten eine zumutbare Tätigkeitsmöglichkeit dargestellt hätten. Sie trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für den Erfolg etwaiger Bewerbungen (sh. Rn. 29), weil sie den Kläger nicht zeitnah auf anderweitige freie Stellen hingewiesen hat. Der Kläger hatte in dem Zeitpunkt, in dem diese frei und zu besetzen waren, keine Kenntnis und keine Möglichkeit sich zu bewerben. Daher ist es ihm nicht möglich, aus eigener Sachnähe zum Ablauf einer Bewerbung vorzutragen.
3. Für den Fall der - ggf. teilweisen - Klagestattgabe weist der Senat auf die in diesem Fall nur anteilig vorzunehmende Berücksichtigung der bezogenen öffentlich-rechtlichen Leistungen hin. Wenn sich der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs nach § 11 Nr. 2 KSchG auf das vom Arbeitgeber geschuldete Arbeitsentgelt böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen muss, ist nur in Höhe des Anteils, den der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG noch vom Arbeitgeber verlangen kann, das bezogene Arbeitslosengeld nach § 11 Nr. 3 KSchG zur Anrechnung zu bringen (BAG 19. Januar 2022 - 5 AZR 346/21 - Rn. 45; 11. Januar 2006 - 5 AZR 125/05 - Rn. 15 ff., BAGE 116, 355).
4. Hinsichtlich der bei einer - ggf. teilweisen - Klagestattgabe zuzusprechenden Zinsen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte wegen der verzögerten Vergütungszahlung nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne vorherige Mahnung zur Leistung der Verzugszinsen ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit gemäß § 187 Abs. 1 BGB verpflichtet war. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses des Schuldnerverzugs wegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums lagen nicht vor (vgl. dazu BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 499/17 - Rn. 63, BAGE 167, 196). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter bei der Bestimmung des jeweiligen Fälligkeitstags die Regelung des § 193 BGB berücksichtigt. Hiernach verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit auf den nächsten und der Eintritt des Verzugs auf den darauffolgenden Werktag, wenn der Fälligkeitstag auf einen Samstag oder einen Feiertag fällt (st. Rspr., vgl. nur BAG 24. Januar 2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 51).