BAG: Nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts; Pflicht zur erneuten Vereidigung von ehrenamtlichen Richtern vor der Berufung in ein neues Amt

Prozessrecht

BAG, Beschluss vom 24.10.2024, 2 AZN 608/24
Verfahrensgang: ArbG Zwickau, 1 Ca 667/21 P vom 02.12.2022
LAG Chemnitz, 4 Sa 11/23 vom 11.04.2024

Leitsatz:

Wechselt ein ehrenamtlicher Richter vom Arbeitsgericht an das Landesarbeitsgericht, muss er nach seinem Amtsantritt erneut vereidigt werden. Das gilt auch dann, wenn sich die Bestellung beim Landesarbeitsgericht unmittelbar an diejenige beim Arbeitsgericht anschließt.

Orientierungssätze:

1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 DRiG gilt die Vereidigung eines ehrenamtlichen Richters zwar auch für eine unmittelbar anschließende, erneute Bestellung weiter. Dies betrifft jedoch nur die "Dauer des Amtes". Wechselt der ehrenamtliche Richter an ein höheres Gericht (hier: vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht), bedarf es nach seiner Berufung in das neue Amt einer erneuten Vereidigung (Rn. 2).

2. Wirkt an der mündlichen Verhandlung oder Beratung, aufgrund derer ein Urteil ergeht, ein ehrenamtlicher Richter mit, ohne dass er zuvor für das betreffende Amt vereidigt worden ist, liegt der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 ZPO vor (Rn. 2).

3. Ein Weiterbeschäftigungsantrag wird regelmäßig nur für den Fall zur Entscheidung gestellt, dass alle streitbefangenen Kündigungen für unwirksam befunden werden und ein etwaiger arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag abgewiesen wird (Rn. 5).

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes aus § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 ZPO dargelegt. Das Landesarbeitsgericht war bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt. Dies führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht analog § 72a Abs. 7 ArbGG.

1. Aufgrund der Auskunft des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts vom 21. August 2024 steht fest, dass die Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung am 11. April 2024, aufgrund derer das anzufechtende Urteil ergangen ist, nicht ordnungsgemäß besetzt war. Danach sind die beiden ehrenamtlichen Richter, die an der Verhandlung mitgewirkt haben, nicht für eine Tätigkeit am Landesarbeitsgericht, sondern lediglich für eine solche beim Arbeitsgericht Dresden vereidigt gewesen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 DRiG gilt die Vereidigung zwar auch für eine unmittelbar anschließende, erneute Bestellung weiter. Dies betrifft jedoch nur die "Dauer des Amtes". Wechselt der ehrenamtliche Richter an ein höheres Gericht, bedarf es nach seiner Berufung in das neue Amt einer erneuten Vereidigung (BSG 24. Oktober 2023 - B 12 KR 28/23 B - Rn. 5; 6. September 2017 - B 13 R 177/17 B - Rn. 11). Wirkt an der mündlichen Verhandlung oder Beratung ein ehrenamtlicher Richter mit, ohne dass er zuvor vereidigt worden ist, liegt der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO vor (BAG 27. Februar 2020 - 2 AZN 1389/19 - Rn. 3, BAGE 170, 72).

2. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit analog § 72a Abs. 7 ArbGG (vgl. BAG 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 35 ff., BAGE 148, 206) an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

3. Dieses wird zur Vermeidung einer - erneuten - Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG dessen - streitiges - Vorbringen zu behandeln haben, er sei regelmäßig auch mit gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen befasst worden und Tätigkeiten im Bereich des Gesellschaftsrechts (nicht: des Arbeitsrechts) seien nicht komplett an Dritte vergeben worden.

4. Zudem wird das Berufungsgericht zur Vermeidung eines - neuerlichen - Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 ZPO darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Weiterbeschäftigungsantrag um einen unechten Hilfsantrag handeln dürfte, der lediglich zur Entscheidung anfallen soll, wenn sowohl die ordentliche Kündigung vom 28. Juni 2021 als auch die ordentliche Kündigung vom 20. Dezember 2021 sich als unwirksam darstellen sollten und der Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen wird (vgl. BAG 16. Dezember 2021 - 2 AZR 356/21 - Rn. 46, BAGE 177, 25).

5. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dem Landesarbeitsgericht die Schriftsätze aus dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht vorliegen.