BFH: Fehlende Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Beiordnung eines Notanwalts ablehnende Beschlüsse des BFH
Finanzgerichtsordnung
BFH, Beschjluss vom 07.08.2024, IV B 4/24
Verfahrensgang: BFH, IV S 23/23 vom 11.01.2024
Leitsatz:
NV: Die (sofortige) Beschwerde gegen einen die Beiordnung eines Notanwalts ablehnenden Senatsbeschluss des Bundesfinanzhofs ist nicht statthaft. § 78b Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist nicht (nach § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung) entsprechend anzuwenden.
Gründe:
I. Mit Urteil vom 01.06.2023 - 4 K 1102/14 änderte das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz den Bescheid wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2009 für die Wohnungseigentümergemeinschaft ... vom 21.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2011 dahingehend, dass ein Verlust in Höhe von 2.075,01 € festgestellt wird; im Übrigen wies es die Klage der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 03.08.2023 beantragten die Kläger die Beiordnung eines Notanwalts für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
Mit Beschluss vom 11.01.2024 - IV S 23/23, den Klägern am 18. beziehungsweise 19.01.2024 zugestellt, hat der erkennende Senat den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Kläger hätten ihre Bemühungen, einen Prozessbevollmächtigten für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu finden, nicht in der gebotenen Weise dargelegt und nachgewiesen. Zudem erscheine die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos.
Gegen diesen Beschluss haben die Kläger am 30.01.2024 (sofortige) Beschwerde erhoben. Damit wenden sie sich im Kern gegen die Ausführungen des Senats zur mangelnden Darlegung beziehungsweise zum mangelnden Nachweis der Bemühungen, einen Prozessbevollmächtigten zu finden, sowie zur Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung.
II. Bei dem Rechtsbehelf der Kläger handelt es sich um eine (sofortige) Beschwerde (§ 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 78b Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Dies ergibt sich aus der eindeutigen Bezeichnung des Rechtsbehelfs im klägerischen Schriftsatz vom 30.01.2024 (z.B. in der Überschrift sowie im Einleitungs- und im Schlusssatz und auch auf S. 8) sowie aus dem Umstand, dass die Kläger ausschließlich Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit des die Beiordnung eines Notanwalts ablehnenden Senatsbeschlusses erheben und eine Divergenz zu anderen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesgerichtshofs (BGH) rügen.
Eine (rechtsschutzgewährende) Auslegung des Rechtsbehelfs als Anhörungsrüge (§ 133a FGO) kommt nicht in Betracht, da die Kläger keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen (vgl. § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO). Sie haben keinen entscheidungserheblichen Vortrag aufgezeigt, den der Senat bei seiner Entscheidung übergangen haben könnte.
III. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Es fehlt schon an der Statthaftigkeit der Beschwerde.
Gemäß § 155 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist die Zivilprozessordnung sinngemäß anzuwenden, soweit die Finanzgerichtsordnung keine Bestimmungen über das Verfahren enthält und die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen. Über das Verfahren gegen den Beschluss, durch den die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch den BFH abgelehnt wird, enthält die Finanzgerichtsordnung zwar keine ausdrückliche Bestimmung. Die entsprechende Regelung des § 78b Abs. 2 ZPO, der zufolge gegen einen solchen Beschluss die sofortige Beschwerde stattfindet, ist gleichwohl nicht entsprechend anzuwenden. Denn die Finanzgerichtsordnung enthält in § 128 FGO eine Regelung über die Beschwerde, die im finanzgerichtlichen Verfahren an die Stelle der sofortigen Beschwerde nach der Zivilprozessordnung tritt. Die Beschwerde nach § 128 FGO richtet sich gegen Entscheidungen des FG (beziehungsweise des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, § 128 Abs. 1 FGO). Entscheidungen des BFH können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. BFH-Beschluss vom 03.04.2023 - X B 80/22, Rz 13 ff., zu Entscheidungen einer Senatsvorsitzenden; Krumm in Tipke/Kruse, § 128 FGO Rz 19a). Dies gilt auch für die Ablehnung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (ebenso Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10.05.2011 - B 2 U 3/11 BH, Rz 3 f., zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 172 Abs. 1, § 177 des Sozialgerichtsgesetzes). Abgesehen davon bezieht sich auch die in § 78b Abs. 2 ZPO vorgesehene Anfechtung des Beschlusses durch sofortige Beschwerde in zivilprozessualer Hinsicht gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur auf die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und der Landgerichte, nicht jedoch auf die Entscheidungen des BGH (vgl. BGH-Beschluss vom 05.03.2019 - V ZR 179/18, Rz 3; MüKoZPO/Toussaint, 6. Aufl., § 78b Rz 15).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren über die Bestellung eines Notanwalts um ein unselbständiges Zwischenverfahren, für welches eine eigenständige Kostenentscheidung nicht zu treffen ist. Letzteres gilt aber nicht für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren gegen einen den Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ablehnenden Beschluss (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26.04.2016 - I B 12/16, Rz 7; vom 12.11.2019 - VIII B 54/19, Rz 7; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 219).