BFH: Grunderwerbsteuer bei Grundstückserwerb im Umlegungsverfahren
Grunderwerbsteuer
BFH, Urteil vom 15.05.2024, II R 4/22
Verfahrensgang: FG Hessen, 5 K 1676/15 vom 22.10.2020
Leitsatz:
1. Der Eigentumserwerb an Grundstücken durch einen interkommunalen Zweckverband im Rahmen einer Umlegung ist nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn der Zweckverband nicht als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen hat.
2. Der Grundstückserwerb des Zweckverbandes ist auch nicht aufgrund einer interpolierenden Zusammenschau der Befreiungstatbestände von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i.V.m. § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes steuerfrei zu stellen.
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein durch drei Kommunen gebildeter Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, ein künftiges Gewerbegebiet mit einer Größe von etwa 24 ha zu planen und zu erschließen sowie die hierfür notwendigen Grundstücke zu erwerben und zu vermarkten. Eigentümer der im Planungsgebiet gelegenen Grundstücke waren ganz überwiegend Privatpersonen. Den am Zweckverband beteiligten Gemeinden gehörten circa 3,5 ha der Gesamtfläche. Der Kläger selbst hatte vor der später erfolgten Umlegung kein Grundstückseigentum im Zweckverbandsgebiet.
Im Jahr 2013 leitete der Kläger ein Umlegungsverfahren gemäß §§ 45 ff. des Baugesetzbuchs (BauGB) ein, in das die Gemeinden und die Privateigentümer ihre Grundstücke einbrachten. Am 16.12.2013 stellte er einen Umlegungsplan mit dem in Aussicht genommenen neuen Zuschnitt der eingebrachten Grundstücke auf. Mit Inkrafttreten des Umlegungsplans am 25.01.2014 wurde dem Kläger gemäß § 72 BauGB das Eigentum an einer Grundstücksfläche von insgesamt 23,93 ha im Umlegungsgebiet zugewiesen. Die früheren Grundstückseigentümer erhielten zum Ausgleich für den Verlust ihres Eigentums entsprechende Ausgleichszahlungen im Sinne des § 59 Abs. 2 und 4 BauGB.
Nachdem der Kläger dem zunächst zuständigen Finanzamt den Umlegungsplan übersandt hatte, setzte dieses mit Bescheid vom 27.05.2014 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... € fest. Als Bemessungsgrundlage legte es die vom Kläger geleisteten Ausgleichszahlungen zugrunde. Hierbei ging es von einem gezahlten Betrag in Höhe von insgesamt ... € aus.
Gegen den Bescheid vom 27.05.2014 erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Im Laufe des Klageverfahrens erließ der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) am 17.06.2020 einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem die Grunderwerbsteuer auf ... € herabsetzt wurde. Dies beruhte darauf, dass das FA den Grundstückserwerb von den Gemeinden nach § 4 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (GrEStG) von der Steuer freistellte und hinsichtlich des Grundstückserwerbs von den Privateigentümern von geringeren Ausgleichszahlungen des Klägers als Bemessungsgrundlage ausging.
Die von dem Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 17.06.2020 fortgeführte Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 22.10.2020 ab. Die Gründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1563 mitgeteilt.
Mit der hiergegen erhobenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er macht geltend, die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG sei über ihren Wortlaut hinaus anzuwenden, da er das Umlegungsverfahren stellvertretend für die Gemeinden als Grundstückseigentümer geführt habe. Eine vollständige Steuerbefreiung ergebe sich jedenfalls bei einer wertenden Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i.V.m. § 4 Nr. 1 GrEStG, da es sich bei dem Grundstückserwerb des Klägers im Umlegungsverfahren lediglich um einen abgekürzten Leistungsweg handele. Die Gemeinden hätten ihre Grundstücke auch bereits vor Beginn des Umlegungsverfahrens auf den Kläger übertragen oder aber die weiteren Grundstücke im Rahmen der Umlegung selbst erwerben können, um sie anschließend an den Kläger zu übertragen. In beiden Fällen wäre der Grundstückserwerb des Klägers von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 17.06.2020 dahin abzuändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der im Wege der Umlegung erfolgte Grundstückserwerb des Klägers der Grunderwerbsteuer unterliegt (hierzu 1.) und eine Steuerbefreiung weder aufgrund von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG (hierzu 2. und 3.) noch aufgrund von § 4 Nr. 1 GrEStG (hierzu 4.) noch aufgrund einer wertenden Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i.V.m. § 4 Nr. 1 GrEStG in Betracht kommt (hierzu 5.).
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der mit Inkrafttreten des Umlegungsplans gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB kraft Gesetzes bewirkte Grundstückserwerb des Klägers nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.
a) Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang in diesem Sinne ist auch der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück im Rahmen eines Umlegungsverfahrens nach §§ 45 ff. BauGB, soweit die einem Beteiligten zugeteilten Grundstücke nicht mit den ihm schon bisher gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.10.1997 - II R 36/95, BFHE 183, 269, BStBl II 1998, 27 und vom 28.07.1999 - II R 25/98, BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206). Zwar tritt die neue im Umlegungsplan zugewiesene Grundstücksfläche als Surrogat an die Stelle des alten Grundstücks mit der Folge, dass sich das Eigentum an dem neu zugeteilten Grundstück ungebrochen fortsetzt. Gleichwohl liegt darin ein die Steuer auslösender Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne, da sich das Eigentum nunmehr auf einen anderen abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht, sodass es im Hinblick auf ein (tatsächliches) Grundstück zu einem Wechsel der eigentumsmäßigen Zuordnung kommt. An einem grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang fehlt es lediglich dann, wenn und soweit das Zuteilungsgrundstück mit dem Einwurfgrundstück identisch, das heißt flächen- und deckungsgleich ist, da in einem solchen Fall auch grunderwerbsteuerrechtlich kein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich eines Grundstücks stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1997 - II R 36/95, BFHE 183, 269, BStBl II 1998, 27, unter II. und vom 28.07.1999 - II R 25/98, BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206, unter II.1.).
b) Ausgehend hiervon hat das FG die Steuerbarkeit des Grundstückserwerbs des Klägers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG zu Recht bejaht. Der Kläger hat mit der Bekanntmachung des Umlegungsplans kraft Gesetzes gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB Eigentum an den ihm zugeteilten Grundstücken erlangt, ohne dass ein Rechtsgeschäft, das einen Übereignungsanspruch begründet, vorausgegangen ist, und ohne dass es einer Auflassung bedurft hat. Dieser Vorgang führte zu einem Rechtsträgerwechsel im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne. Der Kläger hat von vorneherein kein Einwurfgrundstück in die Umlegungsmasse eingebracht. Daher können die von ihm erworbenen Grundstücke nicht mit ihm bereits vor Durchführung des Umlegungsverfahrens gehörenden Grundstücken flächen- und deckungsgleich gewesen sein.
2. Das FG hat auch zu Recht entschieden, dass der Eigentumserwerb des Klägers nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist.
a) Nach dieser Vorschrift ist der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbare Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz in seiner jeweils geltenden Fassung von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist.
b) Die nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer erforderliche Voraussetzung, dass der Erwerber an dem Umlegungsverfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks teilgenommen haben muss, ist im Streitfall nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger angesichts seiner Übernahme planerischer Aufgaben von den Gemeinden gemäß § 205 Abs. 4 BauGB als Beteiligter des Umlegungsverfahrens im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 4 BauGB angesehen werden kann, denn jedenfalls hat er nicht als Eigentümer eines Grundstücks am Umlegungsverfahren teilgenommen. Die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke gehörten vor Durchführung der Umlegung entweder den Privateigentümern oder den Gemeinden. Der Umstand, dass die an dem Kläger beteiligten Gemeinden selbst Grundstücke in das Umlegungsverfahren eingebracht haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein eigenständiges Rechtssubjekt und daher auch in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht als selbständiger Rechtsträger zu betrachten. Für eine Zurechnung der im Eigentum der Gemeinden stehenden Grundstücke an den Kläger fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
3. Wie das FG zu Recht entschieden hat, ist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG nicht in dem von dem Kläger begehrten Sinne erweiternd auszulegen.
a) Eine erweiternde Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes wird von der Rechtsprechung des BFH nur dann für zulässig erachtet, wenn aufgrund des unklaren Wortlauts der Vorschrift eine Regelungslücke anzunehmen ist und eine wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.07.2020 - II R 32/18, BFHE 270, 266, BStBl II 2021, 167, Rz 45, m.w.N.). Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungswürdig anzusehen ist ("rechtspolitischer Fehler"), reicht hingegen nicht aus. Die Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck ergeben (BFH-Urteil vom 08.06.2021 - II R 2/19, BFHE 273, 560, BStBl II 2022, 384, m.w.N.). Die Gesetzeslücke ist in einem solchen Fall in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen (BFH-Urteil vom 29.11.2017 - II R 14/16, BFHE 260, 372, BStBl II 2018, 362, Rz 16 f.).
b) Nach diesen Maßstäben kommt eine erweiternde Anwendung der Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG auf Fälle, in denen ein neuer Eigentümer nicht als Eigentümer von im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücken am Umlegungsverfahren beteiligt war, nicht in Betracht.
Der Zweck des Umlegungsverfahrens nach §§ 45 ff. BauGB, welches seinem Wesen nach ein förmliches und zwangsweises Grundstückstauschverfahren darstellt, besteht darin, für erforderliche städtebauliche Neu- und Umstrukturierungen ein öffentlich-rechtliches Instrumentarium bereitzustellen, um die Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse notfalls durch hoheitlichen Zwang umzugestalten (BFH-Urteil vom 07.09.2011 - II R 68/09, BFH/NV 2012, 62, Rz 22). Zwar räumt das Baugesetzbuch dem Grundsatz des wertgleichen Tauschs keine so beherrschende Stellung ein, dass eine Steuerbefreiung für nach dem Baugesetzbuch erfolgende Grundstücksübertragungen auf wert- oder flächengleiche Zuteilungen oder auf Grundstückszuteilungen bis zur Höhe des jeweiligen Sollanspruchs (§ 57 Satz 1 und 2 BauGB) beschränkt ist (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.1999 - II R 25/98, BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206, unter II.3.; anders noch BFH-Urteil vom 01.08.1990 - II R 6/88, BFHE 162, 146, BStBl II 1990, 1034, unter II.; vgl. nunmehr auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG n.F.). Die Möglichkeit, im Umlegungsverfahren Grundstücke auch gegen teilweise Geldleistung (also auch ohne gleichwertige Grundstückshingabe) zu erhalten, lässt die grundsätzliche Rechtsnatur des Umlegungsverfahrens als gesetzliches Tauschverfahren nach dem Surrogationsprinzip jedoch unberührt.
Wie insbesondere die Regelung in § 59 Abs. 1 BauGB zeigt, erfolgen die Zuteilungen aus der Umlegungsmasse grundsätzlich nur an die im Umlegungsverfahren beteiligten Grundstückseigentümer, die im Austausch für die von ihnen eingebrachten Grundstücke neue Grundstücksflächen erhalten, an denen sich ihr Eigentum --entsprechend dem Surrogationsgedanken-- ohne inhaltliche Änderung fortsetzt. Zuteilungen aus der Umlegungsmasse an außenstehende Dritte, die nicht nach § 48 Abs. 1 BauGB am Umlegungsverfahren beteiligt sind, sind dagegen nicht vorgesehen (vgl. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 31.07.2003 - 16 U (Baul) 8/02, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report 2004, 16, unter II. und III.).
An den Charakter der Umlegung als Grundstückstauschverfahren, das für die am Verfahren beteiligten Grundstückseigentümer zu einer Eigentumsumformung führt, knüpft ersichtlich auch die Vorschrift in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG an, indem sie regelt, dass zur Gewährung der Steuerbefreiung der neue Eigentümer im Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks beteiligt sein muss. Dieser für die Ausnahme von der Besteuerung wesentliche Umstand entfiele, wenn das Eigentum im Umlegungsverfahren steuerfrei auf einen Rechtsträger übergehen könnte, der --wie der Kläger-- nicht zuvor Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks war. Insofern führt, wie das FG zu Recht entschieden hat, die wortgetreue Auslegung der Vorschrift nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann, sondern vielmehr entspricht dieses gerade den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen. Geht nämlich das Eigentum im Umlegungsverfahren auf einen Rechtsträger über, der nicht zuvor Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks war, wird dem Surrogationsprinzip nicht entsprochen, sodass auch die Rechtfertigung für die Ausnahme von der Besteuerung entfällt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Durchführung eines Umlegungsverfahrens durch einen interkommunalen Zweckverband nicht gesehen und bei Kenntnis der Lücke gegebenenfalls eine entsprechende Steuerbefreiung für solche Fälle normiert hätte, liegen nicht vor.
4. Das FG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass auch eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 1 GrEStG ausscheidet.
Nach § 4 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Die Steuerbefreiung kommt nur in Betracht, wenn sowohl der Grundstücksveräußerer als auch der Grundstückserwerber eine juristische Person des öffentlichen Rechts sind (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019 - II R 40/16, BFHE 267, 519, BStBl II 2020, 233). Daran fehlt es im Streitfall schon deswegen, weil es vorliegend nur noch um die Steuerbefreiung des Grundstückserwerbs des Klägers von den Privateigentümern geht. Im Änderungsbescheid vom 17.06.2020, der dem angefochtenen FG-Urteil nach § 68 Satz 1 FGO zugrunde liegt, wurde die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 GrEStG hinsichtlich des Grundstückserwerbs von den Gemeinden bereits gewährt, sodass ein Grundstückserwerb von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht (mehr) streitig ist.
5. Ebenfalls zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Grundstückserwerb des Klägers nicht aufgrund einer Zusammenschau der Befreiungstatbestände von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b i.V.m. § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei zu stellen ist.
a) In der Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, dass auch in den Fällen, in denen der Erwerbsvorgang für sich genommen keinen Befreiungstatbestand erfüllt, gleichwohl die Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften oder die mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung im Wege der Zusammenschau eröffnen kann, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt. Die Zusammenschau kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Leistungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären. Modell des abgekürzten Leistungswegs ist das Dreiecksverhältnis der Anweisung (§§ 783 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), in dem der Anweisende den Angewiesenen veranlasst, eine Leistung nicht an ihn, den Anweisenden, sondern an einen Dritten, den Anweisungsempfänger, zu erbringen.
In einem solchen Fall bestehen Rechtsbeziehungen einerseits zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sogenannten Deckungsverhältnis (§ 787 BGB), andererseits zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger im sogenannten Valutaverhältnis (§ 788 BGB), während im Verhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisungsempfänger zwar die Leistung tatsächlich erbracht wird, jedoch kein Grundverhältnis, das heißt kein eigener Rechtsgrund, besteht (BFH-Urteil vom 25.08.2020 - II R 30/18, BFHE 270, 553, BStBl II 2021, 322, Rz 24, m.w.N.).
Dieser Auslegungsmethode der interpolierenden Betrachtung sind allerdings Schranken gesetzt. So darf diese stets nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen. Sie darf auch nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen. Des Weiteren darf kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung vorliegen (BFH-Urteile vom 28.04.1970 - II 109/65, BFHE 99, 250, BStBl II 1970, 600; vom 07.11.2018 - II R 38/15, BFHE 263, 459, BStBl II 2019, 325 und vom 10.05.2023 - II R 24/21, BFHE 281, 149, BStBl II 2023, 1060).
b) Eine Steuerbefreiung aufgrund einer Zusammenschau von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG und § 4 Nr. 1 GrEStG scheidet danach im Streitfall aus.
Der tatsächliche Übergang der Grundstücke sowohl von den Gemeinden als auch von den Privateigentümern im Wege der Umlegung auf den Kläger stellt sich im Verhältnis zu der vom Kläger aufgezeigten Alternativgestaltung --eine bereits vor Beginn des Umlegungsverfahrens durchgeführte Übertragung der im Eigentum der Gemeinden befindlichen Grundstücke auf den Kläger, der sodann als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks die weiteren Grundstücke der Privateigentümer hätte erwerben können-- nicht als abgekürzter Weg dar. Es fehlt bereits an dem einem abgekürzten Weg typischerweise zugrunde liegenden Dreiecksverhältnis. An dem Umlegungsverfahren haben zwar der Kläger, die jeweiligen Mitgliedsgemeinden und die privaten Dritten teilgenommen. Jedoch haben die Mitgliedsgemeinden (als mögliche Angewiesene) nicht aufgrund einer Anweisung des Klägers (als möglicher Anweisender) eine Leistung in Gestalt einer Übertragung der Grundstücke an die privaten Dritten (als mögliche Anweisungsempfänger) erbracht. Vielmehr haben sie die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke in eigenem Namen und auf eigene Rechnung in das Umlegungsverfahren eingebracht und sind die eingebrachten Grundstücke daraufhin unmittelbar kraft Gesetzes an den Kläger übertragen worden (vgl. § 72 Abs. 1 BauGB).
Hinzu kommt, dass der vor Beginn des Umlegungsverfahrens unterbliebene Erwerb der zuvor im Eigentum der Gemeinden befindlichen Grundstücke durch den Kläger nicht einen Zwischenerwerb der im Eigentum der privaten Dritten stehenden Grundstücke beim Kläger bewirkt hätte, sodass insoweit ebenfalls kein abgekürzter Leistungsweg gegeben ist. Beide Erwerbsvorgänge knüpfen vielmehr an unterschiedliche Grundstücke an. Insofern liegt in der aufgezeigten Alternativgestaltung im Verhältnis zu der tatsächlich gewählten Übertragung kein "verlängerter Leistungsweg", sondern vielmehr eine andere Sachverhaltsgestaltung, die für die Besteuerung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Dies gilt auch für die weitere vom Kläger beschriebene Möglichkeit, dass nicht er, sondern die Gemeinden im Umlegungsverfahren das Eigentum an sämtlichen Grundstücken hätten erwerben und diese anschließend auf den Kläger steuerfrei hätten übertragen können. Denn diese beiden gedachten Erwerbsvorgänge stellen ebenfalls einen fiktiven Sachverhalt dar. Tatsächlich wurde nicht dieser Weg und auch kein diesen abkürzender Leistungsweg, sondern ein anderer Leistungsweg gewählt. Dessen Besteuerung kann nicht durch diejenige eines fiktiven Sachverhalts ersetzt werden (vgl. BFH-Urteile vom 23.02.2021 - II R 22/19, BFHE 273, 190, BStBl II 2021, 636, Rz 30 und vom 25.08.2020 - II R 30/18, BFHE 270, 553, BStBl II 2021, 322, Rz 31).