BFH: Isolierte Aufhebung eines Wirkhinweises
Abgabenordnung
BFH, Urteil vom 24.04.2024, IV R 19/21
Verfahrensgang: FG Baden-Württemberg, 8 K 1764/18 vom 15.06.2021
Leitsatz:
NV: Ist in einem Gewinnfeststellungsbescheid ein Wirkhinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung zu Unrecht erteilt worden, so steht das finanzgerichtliche Verböserungsverbot der Aufhebung des Hinweises entgegen, wenn sich durch die Aufhebung die Rechtsposition der Feststellungsbeteiligten verschlechtern würde.
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR. An ihr sind die Herren X und Y je hälftig beteiligt. X und Y sind auch je hälftig an der H-GmbH & Co. KG (H-KG) beteiligt. Die H-KG ermittelt ihren Gewinn für ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.04. bis 31.03. Die Klägerin ist zudem mit 100 % als Kommanditistin an der L-GmbH & Co. KG (L-KG) beteiligt.
Die L-KG überließ der H-KG im Rahmen einer Betriebsaufspaltung das im Eigentum der L-KG stehende Grundstück D-Straße 2-6 in E (das Grundstück) zur betrieblichen Nutzung.
Die Klägerin gab für das Streitjahr 2008 keine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften ab.
Für die L-KG stellte das Finanzamt A mit Bescheid vom 09.02.2010 für das Jahr 2008 gesondert und einheitlich einen Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 2.511.940,11 € fest, den es vollständig der Klägerin zurechnete. Das Finanzamt A sandte eine entsprechende, für die Klägerin bestimmte Mitteilung vom 09.02.2010 an das Finanzamt B.
Bei der H-KG wurde unter anderem für die Gewinnfeststellung der Jahre 2007 bis 2009 eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer vertrat in dem Bericht vom 01.12.2014 die Auffassung, dass der bei der L-KG festgestellte und der Klägerin zugerechnete Veräußerungsgewinn als "laufende Einkünfte aus Sonderbetriebsvermögen" von X und Y bei der H-KG zu erfassen sei, da die Beteiligung von X und Y an der Klägerin zum Sonderbetriebsvermögen von X und Y bei der H-KG gehöre. Der Feststellungsbescheid des Finanzamts A für die L-KG sei hinsichtlich der für die Klägerin festgestellten Einkünfte ein Grundlagenbescheid und der Feststellungsbescheid für die H-KG der Folgebescheid. Dem folgte das Finanzamt B und erließ am 23.12.2014 einen an die H-KG gerichteten, entsprechend geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellung) für 2009; zur Begründung verwies es auf den Bericht über die Außenprüfung vom 01.12.2014. Die H-KG legte hiergegen Einspruch ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) erließ am 23.12.2016 einen (erstmaligen) Gewinnfeststellungsbescheid für die Klägerin betreffend das Jahr 2008 und stellte dort für die Klägerin den Veräußerungsgewinn von 2.511.940,11 € fest. In den Erläuterungen führte das FA aus, Gegenstand der Feststellung sei der aus der Beteiligung der Klägerin an der L-KG im Bescheid für diese vom 09.02.2010 festgestellte Veräußerungsgewinn. Die Anteile der Gesellschafter X und Y stellten notwendiges Sonderbetriebsvermögen bei der H-KG dar. Die Feststellungsfrist bei der H-KG sei noch nicht abgelaufen. Die Feststellung erfolge somit gemäß § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO).
Dem Einspruch der H-KG gegen den ihr gegenüber ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 2009 half das zwischenzeitlich auch für die H-KG zuständig gewordene FA am 17.11.2017 ab, indem es den für X und Y in diesem Bescheid als Sonderbetriebseinnahmen erfassten Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.511.940,11 € nicht mehr berücksichtigte.
Auf den Einspruch der Klägerin gegen den ihr gegenüber ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 2008 änderte das FA diesen am 13.06.2018 dahin, dass es nunmehr darauf hinwies, dass der Bescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei und die Feststellung nach § 181 Abs. 5 AO deshalb nur solchen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden könne, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Feststellung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Im Übrigen wies es den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Dies begründete das FA im Wesentlichen wie folgt: Der angegriffene Bescheid sei zunächst mit dem Hinweis ergangen, dass die Feststellungsfrist bei der H-KG noch nicht abgelaufen sei, weshalb die Feststellung nach § 181 Abs. 5 AO erfolge. Da die Beteiligungseinkünfte der Klägerin auf deren Einspruch nun nicht mehr bei der H-KG erfasst würden, sei der Hinweis auf die Feststellungsfrist bei der H-KG nun unzutreffend. Der fehlende Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO in einem Bescheid könne jedoch in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden, wenn die Festsetzungsfrist für die abhängige Steuer bei Ergehen der Einspruchsentscheidung noch nicht abgelaufen sei. Der angegriffene Bescheid sei daher hinsichtlich des Hinweises nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO zu ändern.
Die Klägerin erhob gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 Klage zum Finanzgericht Baden-Württemberg (FG). Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2008 der Gesellschafter X und Y sei im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bereits abgelaufen gewesen. Der unzureichende Hinweis im Sinne des § 181 Abs. 5 Satz 2 AO im angefochtenen Feststellungsbescheid vom 23.12.2016 habe in der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 deshalb nicht mehr korrigiert werden können. Eine Änderungsbefugnis des FA folge auch nicht aus § 174 Abs. 3 oder Abs. 4 AO.
Das FG wies die Klage mit Urteil vom 15.06.2021 - 8 K 1764/18 als unbegründet ab. Es führte aus, dass sich die Befugnis des FA zur Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids sowohl aus § 174 Abs. 3 AO als auch aus § 174 Abs. 4 AO ergebe. Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO sei zwar unzutreffend; er führe jedoch nicht zu einer Rechtsverletzung der Klägerin. Denn der zeitliche Anwendungsbereich möglicher Änderungen in einem Folgebescheid sei damit lediglich eingeschränkt, nicht hingegen erweitert worden. Einer Beseitigung des Hinweises nach § 181 Abs. 5 AO stehe somit das Verböserungsverbot entgegen. Für beide Gesellschafter der Klägerin seien im Übrigen die Fristen für die Festsetzung der Einkommensteuer und für die Verlustfeststellung nach § 10d EStG bereits abgelaufen gewesen. Eine Änderung auf Grund des angefochtenen Feststellungsbescheids könne daher nicht mehr erfolgen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 181 Abs. 5 AO. Das FG habe zu Unrecht die Wirksamkeit des Gewinnfeststellungsbescheids bejaht, obwohl dieser entgegen der Regelung des § 181 Abs. 5 AO ergangen sei. Die Verjährung sei zu diesem Zeitpunkt bereits für die Einkommensteuer sowie die Verlustfeststellung der beiden Gesellschafter eingetreten gewesen. Dies stehe im Widerspruch zu dem Wortlaut des § 181 Abs. 5 AO sowie dem Zweck des Feststellungsverfahrens.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 15.06.2021 - 8 K 1764/18 und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 vom 23.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin und das FA haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das FA hat die bei der L-KG für die Klägerin festgestellten Beteiligungseinkünfte zutreffend in dem streitgegenständlichen Gewinnfeststellungsbescheid 2008 erfasst (dazu unter 1.). Im Ergebnis zutreffend hat das FG der Klage auch nicht wegen des für die Gewinnfeststellung 2008 erteilten Wirkhinweises nach § 181 Abs. 5 AO stattgegeben (dazu unter 2.).
1. Der an die Klägerin gerichtete Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 23.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 durfte auf Grundlage von § 174 Abs. 4 AO ergehen.
a) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.
aa) Eine irrige Beurteilung eines Sachverhalts im Sinne von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO liegt vor, wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Nach dem Wortlaut aller Tatbestände des § 174 AO ist es dieser "bestimmte Sachverhalt", der verschiedene einander widerstreitende Steuerfestsetzungen verklammert und die Auflösung des Widerstreits verlangt und erlaubt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.06.2016 - II R 14/12, Rz 14).
Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen lag. Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10.05.2012 - IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 26; vom 02.10.2018 - IV R 24/15, Rz 27).
bb) Ein auf § 174 Abs. 4 Satz 1 AO gestützter Steuerbescheid, der erlassen wird, bevor der den Widerstreit auslösende, fehlerhafte Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist, ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Regelung ("nachträglich") rechtswidrig. Dies ist jedoch dann unbeachtlich, wenn der fehlerhafte Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen seinerseits bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Änderungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und damit zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vorliegen. Denn gemäß § 44 Abs. 2 FGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat (BFH-Urteile vom 12.05.2022 - VI R 20/19, BFHE 276, 521, BStBl II 2023, 6, Rz 18; vom 24.04.2008 - IV R 50/06, BFHE 220, 324, BStBl II 2009, 35, unter II.3.c cc [Rz 36]).
cc) Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.
War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, ist die Korrektur wegen widerstreitender Festsetzungen nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nur möglich, wenn auch die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO gegeben sind.
dd) Die Korrekturnorm des § 174 AO für widerstreitende Steuerfestsetzungen findet nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide Anwendung (BFH-Urteile vom 28.02.2013 - IV R 50/09, BFHE 240, 270, BStBl II 2013, 494, Rz 29; vom 29.06.2016 - II R 14/12, Rz 13).
Da in Gewinnfeststellungsbescheiden nur die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden und nicht eine Steuerschuld festgesetzt wird, führt die in § 181 Abs. 1 Satz 1 AO angeordnete sinngemäße Anwendung der Vorschriften über Steuerbescheide auf Gewinnfeststellungsbescheide dazu, dass an die Stelle des Steuerschuldners im Sinne des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO der Feststellungsbeteiligte als Inhaltsadressat tritt. Im Anwendungsbereich des § 174 Abs. 3 und Abs. 4 AO ist der Feststellungsbeteiligte daher nicht Dritter im Sinne der Regelung (BFH-Urteile vom 10.05.2012 - IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 27; vom 06.09.2017 - IV R 1/16, Rz 41).
ee) Unschädlich für die Rechtmäßigkeit einer Festsetzung beziehungsweise Feststellung ist grundsätzlich eine zu ihrer Begründung angegebene unzutreffende Rechtsgrundlage. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Festsetzung beziehungsweise Feststellung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme durch irgendeine Befugnisnorm gestattet war. Die Angabe der Norm ist lediglich Bestandteil der Begründung des Bescheids, deren Fehlerhaftigkeit den Bescheid nicht rechtswidrig macht (z.B. BFH-Urteile vom 05.11.2009 - IV R 99/06, BFHE 228, 98, BStBl II 2010, 593, unter B.I.1.b aa [Rz 33]; vom 03.03.2011 - IV R 8/08, Rz 27).
b) Das FG hat zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Gewinnfeststellungsbescheids 2008 für die Klägerin bejaht.
So war die zunächst erfolgte Zurechnung der Einkünfte für 2008 aus der Beteiligung der Klägerin an der L-KG bei der H-KG auf Grund einer irrigen Beurteilung erfolgt (dazu unter aa). Diese Zurechnung bei der H-KG wurde auf Grund eines Rechtsbehelfs des X und des Y als Inhaltsadressaten des an die H-KG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheids geändert (dazu unter bb). Durch die Erfassung der Einkünfte aus der Beteiligung an der L-KG in dem an die Klägerin gerichteten Gewinnfeststellungsbescheid, dessen Inhaltsadressaten wiederum X und Y sind, hat das FA nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen (dazu unter cc). Die Erfassung der Einkünfte bei der Klägerin erfolgte innerhalb der Fristen des § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO (dazu unter dd).
aa) Die Erfassung der Einkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der L-KG bei der H-KG war rechtsirrig. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der L-KG bei der Klägerin --und nicht bei der H-KG-- zu erfassen sind. Dies ergibt sich aus der verfahrensrechtlichen Bindung an den Gewinnfeststellungsbescheid für die L-KG (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO).
bb) Die rechtsirrige Zurechnung der Beteiligungseinkünfte aus der L-KG bei der H-KG wurde infolge eines Rechtsbehelfs des X und des Y --der Inhaltsadressaten des an die H-KG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheids-- mit dem Abhilfebescheid vom 17.11.2017 aufgehoben. Die Abhilfe erfolgte mithin auf Grund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen im Sinne von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO.
Unschädlich ist, dass --infolge des abweichenden Wirtschaftsjahrs der H-KG-- die Korrektur des fehlerhaften Gewinnfeststellungsbescheids 2009 der H-KG und die Folgeänderung für die Klägerin im Gewinnfeststellungsbescheid 2008 unterschiedliche Jahre betreffen (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2019 - XI R 49/17, Rz 18).
cc) Das FA hat durch die Erfassung der Einkünfte aus der Beteiligung an der L-KG bei der Klägerin --zulasten der Inhaltsadressaten X und Y-- nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen.
Die steuerrechtliche Erfassung der Beteiligungseinkünfte aus der L-KG bei der Klägerin erfolgte nachträglich im Sinne von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO. Zwar wurden die Einkünfte in Höhe von 2.511.940,11 € in dem an die Klägerin gerichteten Gewinnfeststellungsbescheid 2008 bereits am 23.12.2016 festgestellt, und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Abhilfebescheid gegenüber der H-KG vom 17.11.2017 noch nicht ergangen war. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des an die Klägerin gerichteten Gewinnfeststellungsbescheids ist jedoch der Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung (dazu oben unter II.1.a bb) am 13.06.2018. Zu diesem Zeitpunkt war der rechtlich unzutreffende Gewinnfeststellungsbescheid gegenüber der H-KG durch den Abhilfebescheid vom 17.11.2017 aufgehoben, so dass die Einkünfte nicht mehr doppelt erfasst waren.
dd) Die Erfassung der Einkünfte bei der Klägerin erfolgte innerhalb der Fristen des § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO.
(1) Die Jahresfrist zur Vornahme der Korrektur nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist gewahrt. Denn die richtigen steuerlichen Folgerungen im Gewinnfeststellungsbescheid für die Klägerin waren vor Ablauf eines Jahres nach der Abhilfe bei der Gewinnfeststellung für die H-KG am 17.11.2017 gezogen worden. Abzustellen ist insoweit auf die Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018.
(2) Auch § 174 Abs. 4 Satz 4 AO stand dem Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids vom 23.12.2016 nicht entgegen. Danach darf eine Korrektur wegen widerstreitender Feststellungen nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO erfolgen, wenn die Festsetzungsfrist zu dem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Feststellungsbescheid erlassen wurde.
Diese Einschränkung greift im Streitfall nicht. Denn der später im Wege der Abhilfe geänderte Gewinnfeststellungsbescheid gegenüber der H-KG erging am 23.12.2014. Zu diesem Zeitpunkt war die Feststellungsverjährung für die Gewinnfeststellung 2008 der Klägerin noch nicht eingetreten. Nachdem die Klägerin für das Streitjahr 2008 keine Feststellungserklärung abgegeben hatte, begann die vierjährige Feststellungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) nach einer Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) erst mit Ablauf des 31.12.2011 und endete nicht vor dem 31.12.2015.
2. Das FG hat zutreffend der Klage auch nicht wegen des in der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 erteilten Wirkhinweises zu der Gewinnfeststellung 2008 für die Klägerin stattgegeben.
a) Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; § 171 Abs. 10 AO bleibt hierbei außer Betracht. Hierauf ist nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO im Feststellungsbescheid hinzuweisen.
§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen den Erlass eines Feststellungsbescheids mit eingeschränktem Regelungsgehalt, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen ist (BFH-Urteile vom 31.10.2000 - VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156, unter II.1.b [Rz 17]; vom 15.07.2021 - II R 38/19, BFHE 273, 391, BStBl II 2022, 226, Rz 15). Der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO hat Regelungscharakter im Sinne von § 118 AO. Er bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen und wirkt damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis ein. Für den Steuerpflichtigen und das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt muss aus dem Hinweis erkennbar sein, dass es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der lediglich für solche Steuerfestsetzungen von Bedeutung ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Enthält der Bescheid den Hinweis nicht, ist er rechtswidrig. Ist ein Feststellungsbescheid zunächst ohne einen solchen Hinweis ergangen, kann der Hinweis allerdings auch nach Einspruch in einem Änderungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden (z.B. BFH-Urteil vom 15.07.2021 - II R 38/19, BFHE 273, 391, BStBl II 2022, 226, Rz 16, m.w.N.).
Erweist sich der erteilte Wirkhinweis als rechtswidrig, so ist darüber zu befinden, ob er aufzuheben beziehungsweise abzuändern ist. Anders als ein zu Unrecht unterlassener Wirkhinweis, durch den eine zu weit gehende Bindungswirkung für Folgebescheide ausgelöst wird (dazu etwa BFH-Urteil vom 15.07.2021 - II R 38/19, BFHE 273, 391, BStBl II 2022, 226), kann ein zu Unrecht erteilter Wirkhinweis nicht zur Rechtswidrigkeit eines --im Übrigen gesetzeskonform ergangenen-- Feststellungsbescheids führen, sondern nur zur (isolierten) Aufhebung des Wirkhinweises selbst.
b) Der Senat kann offenlassen, ob die Erteilung des Wirkhinweises im Streitfall geboten und damit rechtmäßig war (dazu unter aa) oder ob mit dem FG anzunehmen ist, dass der Hinweis zu Unrecht erteilt wurde (dazu unter bb). Denn in beiden Fällen war die Abweisung der Klage die zutreffende Entscheidung, die Revision der Klägerin mithin unbegründet.
aa) Wären die Voraussetzungen des § 181 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AO auch dann zu beachten, wenn § 174 Abs. 4 AO den Erlass eines Gewinnfeststellungsbescheids trotz des Eintritts der Feststellungsverjährung gestattet, so wäre die Erteilung des Wirkhinweises im Streitfall geboten und auch rechtmäßig gewesen. Die Klage wäre abzuweisen, die Revision unbegründet.
(1) Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids 2008 für die Klägerin am 23.12.2016 bereits Feststellungsverjährung eingetreten war. Insoweit sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin führte die Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO nicht dazu, dass der Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 23.12.2016 ersatzlos aufzuheben wäre, weil nach den Feststellungen des FG zu diesem Zeitpunkt die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide der Gesellschafter X und Y (Einkommensteuerbescheide und Verlustfeststellungsbescheide nach § 10d EStG) bereits abgelaufen war. Dabei kann dahinstehen, ob das FA jedenfalls in den Fällen, in denen ohne weitere Ermittlungen feststeht, dass die Festsetzungsfrist für sämtliche in Betracht kommenden Folgebescheide bereits abgelaufen ist, am Erlass eines Feststellungsbescheids gehindert ist. Denn ein solcher Fall lag hier ersichtlich nicht vor. Vielmehr ergab sich erst nach weiteren Ermittlungen des FG, dass die Festsetzungsfristen für sämtliche Folgebescheide bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids 2008 für die Klägerin bereits abgelaufen waren. Bei Erlass des streitigen Gewinnfeststellungsbescheids 2008 war dagegen noch ungewiss, ob die Festsetzungsfristen für sämtliche Folgebescheide bereits abgelaufen waren. Das reicht aus, um eine Feststellung gemäß § 181 Abs. 5 AO durchzuführen. Ob die Festsetzungsfrist für die Folgebescheide tatsächlich abgelaufen ist, entscheidet sich dann erst im Verfahren über den beziehungsweise die Folgebescheid(e).
(3) Die Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO unterstellt, war der nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erteilte Wirkhinweis danach erforderlich. Da er inhaltlich den Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entsprach und, wie oben dargelegt, ein zunächst fehlender Wirkhinweis noch in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden kann, war er auch rechtmäßig.
Wären die Voraussetzungen des § 181 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AO auch dann zu beachten, wenn § 174 Abs. 4 AO den Erlass eines Gewinnfeststellungsbescheids trotz des Eintritts der Feststellungsverjährung gestattet, wäre der Gewinnfeststellungsbescheid für 2008 vom 23.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 rechtmäßig mit der Folge, dass das FG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hätte und die Revision der Klägerin unbegründet wäre.
bb) Nimmt man hingegen an, dass § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO spezielle Regelungen für die verjährungsrechtliche Zulässigkeit eines auf § 174 Abs. 4 AO gestützten Bescheids enthalten, die § 181 Abs. 5 AO verdrängen, so erweist sich der erteilte Wirkhinweis als rechtswidrig. Denn der Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 23.12.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2018 ist im Rahmen der in § 174 Abs. 4 AO vorgesehenen Fristen ergangen.
Rechtlich zutreffend hätte das FG für diesen Fall entschieden, dass der dann zu Unrecht auf § 181 Abs. 5 Satz 2 AO gestützte Wirkhinweis wegen des vom FG zu beachtenden Verböserungsverbots nicht (isoliert) durch das FG aufgehoben werden könnte.
Aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ist das --gemäß § 121 Satz 1 FGO auch für das Revisionsverfahren zu beachtende-- finanzgerichtliche Verböserungsverbot abzuleiten (z.B. BFH-Urteile vom 22.01.2020 - XI R 26/19 (XI R 5/17), BFHE 268, 337, BStBl II 2020, 421, Rz 22; vom 16.07.2020 - IV R 30/18, BFHE 270, 516, BStBl II 2021, 939, Rz 25). Danach ist es den Finanzgerichten verwehrt, den Kläger in Bezug auf die mit der Klage angegriffenen Festsetzungen schlechter zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 13.06.2012 - VI R 92/10, BFHE 237, 302, BStBl II 2013, 139, Rz 20; vom 18.02.2016 - V R 53/14, BFHE 252, 551, BStBl II 2019, 333, Rz 26; zum Revisionsverfahren BFH-Urteil vom 19.08.1999 - IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179, unter 1.b [Rz 17]).
Würde der rechtswidrig unter Verweis auf § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erteilte Wirkhinweis aufgehoben beziehungsweise abgeändert, so entfiele die Einschränkung, dass die Folgebescheide des Gewinnfeststellungsbescheids der Klägerin für 2008, also die Einkommensteuerbescheide und die Verlustfeststellungsbescheide nach § 10d EStG der Gesellschafter X und Y, nur angepasst werden dürfen, wenn dort im Zeitpunkt des Ergehens des Gewinnfeststellungsbescheids für die Klägerin noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Die Anpassungspflicht an den --belastenden, weil steuererhöhenden-- Grundlagenbescheid wäre dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ohne diese Einschränkungen innerhalb von zwei Jahren vorzunehmen. Die Rechtsposition der Gesellschafter wäre dadurch verschlechtert.
Käme es also allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO an, wäre der erteilte Wirkhinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO zwar rechtswidrig, aber nicht isoliert aufzuheben. Die Klage wäre auch in diesem Fall abzuweisen und die Revision als unbegründet zurückzuweisen.