BFH: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
BFH, Urteil vom 21.06.2023, II R 2/21
Verfahrensgang: FG München, 4 K 270/20 vom 20.01.2021
Leitsatz:
§ 16 Abs. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steht einer Aufhebung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen, wenn der Notar den Erwerbsvorgang zwar nicht innerhalb der für ihn geltenden Frist des § 18 GrEStG anzeigt, seine Anzeige bei dem zuständigen Finanzamt aber noch innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Frist des § 19 GrEStG eingeht.
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war an einer Objektgesellschaft (GmbH) mit 90,1 % beteiligt. Die restlichen 9,9 % hielt eine AG. Die GmbH war Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22.12.2016 verkaufte die AG ihren Anteil an der GmbH an die Klägerin zum Kaufpreis von 2.475 €. Die Klägerin wurde bei Vertragsschluss durch ihren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer (A) vertreten. Die AG wurde durch eines ihrer Vorstandsmitglieder (B) vertreten. Nach der Vertretungsregelung der AG konnte die Gesellschaft nur durch zwei Vorstandsmitglieder (zusammen) vertreten werden. B handelte daher zum einen als Vorstand der AG und zum anderen für den Mitvorstand (C). Insoweit stand seine Erklärung unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Genehmigung, die nach der ausdrücklichen Regelung im Vertrag mit Zugang beim Notar wirksam werden sollte. C genehmigte den Vertrag am 23.12.2016. Die Genehmigung des C ging dem Notar am 30.12.2016 zu.
Am 30.12.2016 übersandte der beurkundende Notar eine Kopie des Vertrages an das für die Besteuerung von Körperschaften zuständige Finanzamt. Bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) ging die Veräußerungsanzeige samt Kopie des Vertrages vom 22.12.2016 am 12.01.2017 ein.
Mit Bescheid vom 02.05.2018 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12.06.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der GmbH wieder entgeltlich an die AG zum Kaufpreis von 2.475 € ab. Am 19.06.2018 beantragte sie die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 02.05.2018 nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitzeitraum anwendbaren Fassung (GrEStG). Mit Schreiben vom 28.06.2018 lehnte das FA den Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung ab. Der Aufhebung stehe § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen. Der Vertrag vom 22.12.2016 sei erst am 12.01.2017 und damit nicht fristgerecht im Sinne des § 18 Abs. 3 GrEStG beim FA angezeigt worden. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung legte die Klägerin am 01.08.2018 Einspruch ein.
Am 29.04.2019 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Mit Schreiben vom 13.11.2019 teilte die Klägerin im Einspruchsverfahren mit, dass sie mit Zustimmung des Sachwalters das durch das Insolvenzverfahren zunächst unterbrochene Einspruchsverfahren nach § 85 der Insolvenzordnung, § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) analog, § 240 der Zivilprozessordnung wieder aufnehme und bat um den Erlass einer Einspruchsentscheidung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30.01.2020 wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 28.06.2018 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 07.07.2020 wurde der Grunderwerbsteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen geändert.
Die Klage auf Aufhebung der geänderten Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) stand der Aufhebung die Frist des § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen. Weder die Klägerin noch der beurkundende Notar hätten den Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuerstelle des FA gemäß §§ 18, 19 GrEStG fristgerecht angezeigt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 570 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Nach ihrer Ansicht steht § 16 Abs. 5 GrEStG einer Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer nicht entgegen. Der Erwerbsvorgang sei fristgerecht angezeigt worden. Zwar habe die Zweiwochenfrist für den Notar nach § 18 Abs. 3 GrEStG bereits am 05.01.2017 geendet. Gehe man aber mit dem Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass es ausreiche, wenn entweder der Notar oder der Steuerschuldner seiner Anzeigepflicht nachkomme, genüge der Eingang der Anzeige durch den Notar innerhalb der für die Klägerin geltenden länger laufenden Frist. Diese habe im Streitfall erst mit Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts durch Zugang der Genehmigung des Vorstandes C beim Notar am 30.12.2016 zu laufen begonnen. Beim Eingang der Anzeige des Notars beim FA am 12.01.2017 sei diese für die Klägerin geltende Frist noch nicht abgelaufen gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil vom 20.02.2021 – 4 K 270/20, den Ablehnungsbescheid des FA vom 28.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.01.2020 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuerbescheide vom 02.05.2018 und 07.07.2020 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Seiner Auffassung nach hat das FG zu Recht entschieden, dass § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegenstehe. Weder die Klägerin noch der beurkundende Notar hätten den Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuerstelle des FA fristgerecht angezeigt. Die Klägerin selbst habe den Erwerbsvorgang entgegen ihrer Pflicht aus § 19 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuerstelle des FA nicht angezeigt. Die fehlende Anzeige sei auch nicht durch eine ordnungsgemäße, das heißt den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Anzeige des Notars ersetzt worden, da dessen Anzeige gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG verspätet beim für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen FA eingegangen sei. Dass im Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige des Notars beim FA die Frist für die Anzeigenerstattung durch die Klägerin nach § 19 Abs. 3 GrEStG noch nicht abgelaufen gewesen sei, ändere daran nichts.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
II. Der Antrag der Klägerin ist dahingehend zu verstehen, dass sie im Wege der Verpflichtungsklage begehrt, das FA zur Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 02.05.2018 und 07.07.2020 zu verpflichten.
Die Klage der Klägerin ist darauf gerichtet, dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer in den Bescheiden vom 02.05.2018 und 07.07.2020 aufgrund des Rückerwerbs der GmbH-Anteile nach § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG aufgehoben wird. Dieses Begehren ist als Verpflichtungsklage in Gestalt der Vornahmeklage zu verfolgen (s. z.B. BFH-Urteil vom 05.06.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267). Der erkennende Senat deutet den Klageantrag der Klägerin dementsprechend in eine Verpflichtungsklage um. Die Umdeutung ist auch noch in der Revisionsinstanz möglich (vgl. BFH-Urteil vom 27.01.2011 – III R 65/09).
III. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Verpflichtung des FA, die streitigen Grunderwerbsteuerbescheide aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt. § 16 Abs. 5 GrEStG steht der Aufhebung der Steuerfestsetzung nicht entgegen.
1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer unter anderem ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt.
2. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus (vgl. BFH-Urteil vom 22.05.2019 – II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157, Rz 15, m.w.N.).
3. § 16 Abs. 5 GrEStG schließt den Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung aus, wenn ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, aber nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) wurde. Die Vorschrift dient einerseits der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und soll andererseits dem Anreiz entgegen wirken, durch Nichtanzeige einer Besteuerung den in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgängen zu entgehen (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.2017 – II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 42 und vom 22.05.2019 – II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157, Rz 18). Den Beteiligten soll die Möglichkeit genommen werden, die dort benannten Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2017 – II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 42).
4. Die Anzeigepflichten für den Notar nach § 18 GrEStG und für den Steuerschuldner nach § 19 GrEStG bestehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Die Wirkungen der Anzeigen können jedoch bei der Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG unter bestimmten Voraussetzungen dem anderen Anzeigepflichtigen zugerechnet werden.
a) Die Anzeigepflichten gemäß §§ 18, 19 GrEStG sind innerhalb von zwei Wochen zu erfüllen, knüpfen jedoch für die verschiedenen Anzeigepflichtigen an verschiedene Ereignisse an und können deshalb zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen.
aa) Ein Notar hat über einen Rechtsvorgang, den er beurkundet hat, nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung Anzeige zu erstatten, auch wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs von einer Genehmigung abhängig ist.
bb) Ein Gesellschafter hat ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 13 Nr. 5 GrEStG innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten hat, anzuzeigen. Voraussetzung dafür ist, dass das Rechtsgeschäft wirksam ist. Anderenfalls ist der Erwerbsvorgang noch nicht verwirklicht. Hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer Genehmigung ab, ist der Erwerbsvorgang erst im Zeitpunkt des Eintritts der Genehmigung erfüllt (§ 14 Nr. 2 GrEStG). In diesem Fall beginnt die Frist für die Anzeige nach § 19 Abs. 3 GrEStG erst mit Kenntnis von dem Vorliegen der Genehmigung (Wachter in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 19 Rz 219; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 19 Rz 23; kritisch zum Auseinanderfallen des Fristbeginns Wachter in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 18 Rz 210, § 19 Rz 221).
b) Der BFH hat bereits entschieden, dass es für § 16 Abs. 5 GrEStG ausreicht, wenn einer von mehreren Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt (vgl. BFH-Urteile vom 18.04.2012 – II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II 2013, 830, Rz 24; vom 03.03.2015 – II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777, Rz 23 und vom 22.05.2019 – II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157, Rz 19). Danach wirkt die Anzeige des Notars für Zwecke des § 16 Abs. 5 GrEStG auch für den Steuerschuldner.
c) Die Urteile sind zwar zu § 16 Abs. 5 GrEStG in der Fassung vor der Änderung durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1265) ergangen. Mit Wirkung ab dem 07.06.2013 (vgl. § 23 Abs. 12 GrEStG) wurde der Wortlaut des § 16 Abs. 5 GrEStG geändert. Während zuvor § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht galt, wenn der Erwerbsvorgang "nicht ordnungsmäßig angezeigt (§§ 18, 19) war", schließt die im Streitfall geltende Fassung die Anwendung von § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG bereits dann aus, wenn der Erwerbsvorgang "nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war". Die Vorschrift verlangt jedoch auch in der neuen Fassung nicht, dass beide Anzeigeverpflichtete jeweils ihren Anzeigepflichten "fristgerecht und in allen Teilen vollständig" nachkommen. Vielmehr ist § 16 Abs. 5 GrEStG weiterhin passivisch formuliert. Es genügt, dass der Erwerbsvorgang angezeigt "war".
d) Ausgehend vom Wortlaut und Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG reicht es danach aus, dass der Erwerbsvorgang innerhalb der für den Notar nach § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG oder der für den Steuerschuldner nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG geltenden Anzeigefrist in allen Teilen vollständig angezeigt war und zwar unabhängig davon, von wem und für wen die Anzeige erfolgt ist.
aa) Nach dem Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG genügt es, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb der in § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 3 GrEStG vorgesehenen Anzeigefristen dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG prüfen kann. Daher muss die Anzeige grundsätzlich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts übermittelt werden (BFH-Urteil vom 22.05.2019 – II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157). Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob die Anzeige durch den Notar oder den Steuerschuldner erfolgt ist. Unerheblich ist auch, ob der Steuerschuldner Kenntnis davon hatte, ob und wenn ja zu welchem Zeitpunkt der Notar seiner Anzeigepflicht nach der für ihn –den Notar– geltenden Frist nachgekommen ist. Maßgeblich ist, dass dem zuständigen Finanzamt innerhalb einer der gesetzlichen Fristen der steuerbare Vorgang vollständig angezeigt wurde. Ist dies der Fall, ist der Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG erfüllt. Die Vorschrift schließt die Anwendung des § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG dann nicht mehr aus.
bb) Nach den vorstehenden Grundsätzen reicht es im Sinne des § 16 Abs. 5 GrEStG daher aus, wenn der Notar eine Anzeige erstattet, die zwar nach der gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG für den Notar laufenden Frist verspätet ist, die dem zuständigen Finanzamt aber innerhalb der nach § 19 Abs. 3 GrEStG für den Steuerschuldner geltenden Frist zugeht. In einem solchen Fall wird der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG gewahrt, nämlich auf Grundlage einer entsprechenden Anzeige dem Finanzamt die ordnungsgemäße Prüfung des Steuerfalls zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn die Verwirklichung des Erwerbstatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG von der Genehmigung einer Vertragspartei abhängt und diese für die Berechnung der in § 19 GrEStG benannten Fristen für die Anzeigepflicht eines Beteiligten maßgebend ist. Es ginge in diesem Fall über den Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG hinaus, den Verlust der Rechte aus § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG an die fehlende Erstattung einer Anzeige des Notars nach § 18 GrEStG zu einem Zeitpunkt zu knüpfen, in dem der Erwerbsvorgang des Anteilskaufs mangels der erforderlichen Genehmigung einer der Vertragsparteien noch nicht verwirklicht worden ist und deshalb die Anzeigepflicht des Steuerschuldners nach § 19 GrEStG noch nicht zu laufen begonnen hat. Eine Gefährdung des Steueranspruchs ist in diesem Fall vor Entstehung der Steuer nicht zu befürchten.
5. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Ablehnung der beantragten Aufhebung der Steuerfestsetzung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide aus § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12.06.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der GmbH wieder entgeltlich an die AG zum Kaufpreis von 2.475 € ab, sodass der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren nach Entstehung der Steuerschuld für den vorangegangenen Erwerbsvorgang erfolgte. Diese Steuer entstand nach § 14 Nr. 2 GrEStG am 30.12.2016 mit dem Zugang der Genehmigung des Verkaufs der Anteile durch den Mitvorstand C der Verkäuferin beim Notar. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen. Auch die zweiwöchige Frist für die Anzeige der Klägerin begann nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Nr. 2 und § 13 Nr. 5 GrEStG erst mit Kenntnis von der nachträglichen Genehmigung des Mitvorstandes C der Käuferin durch den Notar am 30.12.2016. Die Anzeige des Notars nach § 18 GrEStG ging bei der Grunderwerbsteuerstelle des FA am 12.01.2017 und somit noch innerhalb der für die Klägerin laufenden zweiwöchigen Anzeigefrist ein.