BFH: Steuerbare Leistungserbringung durch Gesellschafter nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes
Umsatzsteuer
BFH, Urteil vom 12.10.2023, V R 11/21
Verfahrensgang: FG Schleswig-Holstein, 4 K 29/18 vom 10.03.2021
Leitsatz:
1. Verpflichtet sich der Gesellschafter einer Personengesellschaft, für diese ein speziell für deren Zwecke geeignetes Gebäude zu errichten, wobei er die Baukosten hierfür nur bis zu einer bestimmten Höhe zu tragen hat, während die Gesellschaft zur Übernahme der Mehrkosten verpflichtet ist, kann trotz vereinbarter Unentgeltlichkeit der späteren Nutzungsüberlassung eine --dieser vorgeschaltete-- entgeltliche sonstige Leistung ("Bebauungsleistung") des Gesellschafters vorliegen.
2. Zur Auslegung von § 10 Abs. 5 UStG in der Fassung von Art. 7 Nr. 2 Buchst. a und b i.V.m. Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über den Vorsteuerabzug der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) aus der Errichtung eines Gebäudes für die Aufnahme von Batterien zur Speicherung von (Wind-)Energie in den Jahren 2013 bis 2015 (Streitjahre).
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft (GmbH & Co. KG), die --entsprechend ihrem im Gesellschaftsvertrag vom 16.12.2009 genannten Unternehmenszweck-- auf dem Gebiet zweier Gemeinden einen Windpark mit mehreren Windenergieanlagen zur Stromerzeugung betreibt. Seit 2013 erzeugt sie Strom, den sie umsatzsteuerpflichtig an einen Stromversorger verkauft.
Die Errichtung der Windenergieanlagen beruhte auf einem bauplanungsrechtlichen Durchführungsvertrag, der am 27.02.2013 zwischen der Klägerin --als Trägerin des Vorhabens-- und den beiden Gemeinden --als Träger der Planungshoheit-- geschlossen wurde. Der Vertrag betraf die Durchführung eines auf Stromerzeugung und Stromspeicherung gerichteten Vorhaben- und Erschließungsplans. Nach dem Durchführungsvertrag war der Bau und die Inbetriebnahme der Speichertechnologie zu Forschungszwecken das Kernanliegen des Gesamtvorhabens, wobei die Errichtung der Windenergieanlagen in rechtlicher Abhängigkeit zu der Erprobung der Speichermedien stand. Sollte das Batteriegebäude nicht errichtet oder die Speichertechnologie zu Forschungszwecken nicht in Betrieb genommen werden, führte dies zur planerischen Unwirksamkeit des Gesamtvorhabens. Die Klägerin verpflichtete sich, für den gesamten Genehmigungszeitraum der Windenergieanlagen Energiespeicher zu betreiben und zu testen und einer Projektgesellschaft für die Erprobung des Speichers das Grundstück und das Gebäude kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin sollte 55 % des Stammkapitals der Projektgesellschaft stellen und die C GmbH die restlichen 45 %. Die C GmbH war zudem verpflichtet, die Steuerungssoftware zu entwickeln und diese der Projektgesellschaft kostenlos bereitzustellen.
Mit Vertrag vom 31.01./02.02.2013 vereinbarten die Klägerin und die C GmbH die Gründung und Leitung der Projektgesellschaft als GmbH & Co. KG (im Folgenden: EN-KG). Der Anteil der Klägerin am Kommandit- und am Stammkapital der Komplementär-GmbH betrug jeweils 55 %. Gegenstand der EN-KG war die Errichtung und der Betrieb eines stationären elektrischen Energiespeichers in den beiden Gemeinden sowie das Testen von Geschäftsmodellen für die Vermarktung von Energie (Strom) aus dem Speicher, wobei die Errichtung eines Energiespeichers mit einer Leistung von 1 MW und einer Speicherkapazität von rund 4 MW angestrebt war. Die zwischengespeicherte Energie sollte entweder vom Windpark, von anderen lokalen Erzeugungseinrichtungen oder aus dem öffentlichen Stromnetz stammen. In dem Vertrag war auf Seite 18 unter Rz 18.2.1.1 ("Förder- und Leistungspflichten und Rechte der Gesellschafter") weiter geregelt, dass die Klägerin der EN-KG ein Gebäude kostenlos zur Nutzung überlässt, das bestimmten technischen Anforderungen entspricht. Soweit die Kosten der Errichtung dieses Gebäudes einen Betrag von 500.000 € überstiegen, hatte die EN-KG die überschießenden Kosten selbst zu tragen.
Nach Erteilung der erforderlichen Genehmigungen ließ die Klägerin auf eigenem Grund und Boden ein Hallengebäude für eine Vanadium-Redox-Flow-Batterie, ein Informationsgebäude mit Serverraum, Tagungsraum und Sanitäreinrichtungen, eine Betonplatte, die Hofbefestigung, einen Zaun sowie den Netzanschluss für insgesamt 772.024,84 € zuzüglich Umsatzsteuer errichten. Im Anschluss an die Fertigstellung überließ die Klägerin der EN-KG auf der Grundlage eines Nutzungsüberlassungsvertrags vom 16.01./16.02.2015 ab dem 09.07.2014 das Hallen- und Informationsgebäude "kostenlos" (§ 4 Nr. 1 des Nutzungsüberlassungsvertrags).
Die in den Rechnungen für die Herstellung des überlassenen Gebäudes und der Außenanlagen ausgewiesene Umsatzsteuer machte die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) im Umfang der jeweils in den Streitjahren angefallenen Beträge (9.391,95 € in 2013, 113.443,33 € in 2014, 17.493,91 € in 2015) als Vorsteuer geltend. Am 20.04.2016 stellte die Klägerin der EN-KG unter Bezugnahme auf die vereinbarte Kostendeckelung auf 500.000 € den überschießenden Betrag von 272.024,84 € zuzüglich 51.684,72 € Umsatzsteuer in Rechnung.
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die auf die Errichtung des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig seien. Die hierfür bezogenen Eingangsleistungen stünden nicht im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen. Der Weiterberechnung der Kosten durch die Rechnung vom 20.04.2016 liege kein steuerbarer und steuerpflichtiger Leistungsaustausch zugrunde. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ unter dem 14.03.2017 entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA am 02.02.2018 als unbegründet zurück; die hierauf erhobene Klage hatte jedoch Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1244 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Klägerin zum Vorsteuerabzug aus den bezogenen Bauleistungen berechtigt sei. Die Klägerin sei zwar verpflichtet gewesen, einen Gesellschafterbeitrag in Gestalt der kostenlosen Nutzungsüberlassung bis zu einem Kostendeckel von 500.000 € zu leisten, dieser Beitrag beruhe aber auf einer bauplanungsrechtlichen Auflage, die für den Erhalt der Genehmigung zum Betrieb des Windparks zu erfüllen gewesen sei und sich damit als rechtliche Bedingung für die eigene unternehmerische Betätigung der Klägerin darstelle. Die beiden Gemeinden hätten ihr Einvernehmen für die Erteilung der Genehmigung zum Bau und Betrieb der Windenergieanlagen davon abhängig gemacht, dass die Klägerin für den gesamten Genehmigungszeitraum Energiespeicher betreibe und teste. Der Gesellschafterbeitrag der Klägerin sei zugleich Voraussetzung für die Aufnahme der Stromproduktion durch die Klägerin. Dieser Kausalzusammenhang und die damit einhergehende rechtliche Bindung der Klägerin rechtfertigten es, die bezogenen Bauleistungen als allgemeine Aufwendungen (Gemeinkosten) für die Stromproduktion der Klägerin zu qualifizieren.
Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Die Grundsätze zur Vorsteuerabzugsberechtigung führten auch unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14.09.2017 - C-132/16, EU:C:2017:683 und Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 - C-528/19, EU:C:2020:712 nicht so weit, dass jedwede freiwillige, vertraglich vereinbarte oder durch behördliche Auflage auferlegte Aktivität des Unternehmers ihn zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsumsätzen berechtige. Im EuGH-Urteil Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14.09.2017 - C-132/16, EU:C:2017:683 sei der Vorsteuerabzug nur deshalb gewährt worden, weil die Anlage zur Beseitigung der Abwässer unumgängliche Voraussetzung für den Betrieb des Unternehmens gewesen sei. Auch im EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 - C-528/19, EU:C:2020:712 sei der Bau der zu befestigenden Umgehungsstraße unumgänglich für das Unternehmen gewesen. Der Vorsteuerabzug sei jedoch auf das beschränkt, was "erforderlich war, um den Unternehmenszweck zu erfüllen" (EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 - C-528/19, EU:C:2020:712, Rz 38). Eine nur rechtlich und freiwillig eingegangene Verpflichtung gegenüber einem Vertragspartner reiche hierfür nicht aus.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Betrieb einer Windenergieanlage sei zwar auch ohne die Errichtung eines Batteriespeichers möglich, allerdings sei bereits das Vorliegen einer rechtlichen Notwendigkeit ausreichend, um den Vorsteuerabzug zu gewähren. Entgegen der Auffassung des FA sei nicht ersichtlich, dass der EuGH die Prüfung des Umfangs der Erforderlichkeit allein an der tatsächlichen Erforderlichkeit festmache. Auch dann, wenn eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Maßnahme rechtlich erforderlich sei, lasse dies eine Überprüfung des Umfangs zu. Im Streitfall habe das FG den Umfang des Erforderlichen geprüft und bejaht. Dabei sei zu Recht berücksichtigt worden, dass die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen sowie das Forschungsprojekt des Batteriespeichers keine voneinander losgelösten Vorhaben beträfen. Die Auflage zur Errichtung des Speichers sowie die Errichtung und der Betrieb des Windparks stünden in einem sachlichen Zusammenhang und in einem angemessenen Verhältnis zueinander.
II. Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den zwischen den Beteiligten umstrittenen Vorsteuerabzug bejaht, ohne dabei aber die von der Klägerin erbrachten Ausgangsleistungen, nach deren Maßgabe über den Vorsteuerabzug zu entscheiden ist, vollumfänglich geprüft zu haben.
1. Das FG hat nicht berücksichtigt, dass die Klägerin eine --der unentgeltlich vereinbarten Nutzungsüberlassung vorgeschaltete-- sonstige Leistung gegen Entgelt an die EN-KG erbracht haben kann. Verpflichtet sich der Gesellschafter einer Personengesellschaft, für diese ein speziell für deren Zwecke geeignetes Gebäude zu errichten, wobei er die Baukosten hierfür nur bis zu einer bestimmten Höhe zu tragen hat, während die Gesellschaft zur Übernahme der Mehrkosten verpflichtet ist, kann trotz vereinbarter Unentgeltlichkeit der späteren Nutzungsüberlassung eine --dieser vorgeschaltete-- entgeltliche sonstige Leistung ("Bebauungsleistung") des Gesellschafters vorliegen.
a) Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 06.04.2016 - V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl II 2017, 188, Rz 26 und vom 23.09.2020 - XI R 35/18, BFHE 271, 243, BStBl II 2022, 344, Rz 43). Der individuelle Leistungsempfänger muss aus der Leistung einen konkreten Vorteil ziehen (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2008 - V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749, unter II.3.b; BFH-Beschlüsse vom 15.12.2021 - XI R 30/19, BFHE 275, 414, BStBl II 2022, 577, Rz 29 und vom 13.09.2022 - XI R 8/20, BFHE 277, 536, BStBl II 2023, 728, Rz 21; EuGH-Urteile Mohr vom 29.02.1996 - C-215/94, EU:C:1996:72, Rz 20; Landboden-Agrardienste vom 18.12.1997 - C-384/95, EU:C:1997:627, Rz 23 sowie Fillibeck vom 16.10.1997 - C-258/95, EU:C:1997:491).
b) Im Streitfall ist das FG davon ausgegangen, dass die Klägerin das von ihr errichtete Gebäude der EN-KG unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist revisionsrechtlich --nach dem derzeitigen Verfahrensstand-- nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hatte sich nicht nur zu einem Gesellschafterbeitrag in Gestalt einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung verpflichtet, sondern --ausweislich des Nutzungsüberlassungsvertrags vom 16.01./16.02.2015-- mit der EN-KG in § 4 Nr. 1 "Kosten" vereinbart: "Die Nutzungsüberlassung erfolgt kostenlos". Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der größte Teil der Kosten (Vorsteuerbetrag bis Ende des Jahres 2014 in Höhe von 113.443,33 €) bereits angefallen und den Beteiligten das Überschreiten des Kostendeckels von 500.000 € für die Errichtung des Gebäudes bekannt war. Aus der Anlage zur Rechnung vom 20.04.2016, in der die Kosten für das Energiespeicherprojekt aufgelistet sind, ergibt sich, dass bereits zum 31.12.2014 eine Forderung über 176.819,61 € bestand, mithin die Aufwendungen für die Gebäudeerrichtung zu diesem Zeitpunkt schon 676.819,61 € betragen hatten.
c) Das FG hat jedoch nicht bedacht, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass die Klägerin zwar im Gesellschaftsvertrag die Errichtung eines unentgeltlich zu überlassenden Gebäudes zugesagt, die hierfür von ihr zu tragenden Kosten aber auf 500.000 € begrenzt hat und für die darüber hinausgehenden Ausgaben eine Kostenerstattungspflicht der EN-KG vereinbart worden war.
aa) Bereits die Vereinbarung einer Begrenzung der von der Klägerin zu tragenden Kosten spricht dafür, dass die Beteiligten zumindest ernsthaft damit rechneten, dass die Gesamtkosten für die Errichtung des speziell auf die Bedürfnisse der EN-KG zugeschnittenen Gebäudes den Begrenzungsbetrag überschreiten würden, wozu es dann auch tatsächlich gekommen ist. In diesem Zusammenhang zeigt die in 2016 mit gesondertem Steuerausweis erfolgte Abrechnung des gegen die EN-KG gerichteten Kostenerstattungsanspruchs, dass die Beteiligten insoweit von einer entgeltlichen und dabei steuerpflichtigen Leistungserbringung durch die Klägerin ausgingen. Bei dieser Sachlage kann davon ausgegangen werden, dass die in 2016 durch die Klägerin erteilte Rechnung eine gesetzlich entstandene Steuer betraf und nicht lediglich einen Steueranspruch nach § 14c UStG auslöste.
bb) Vorliegend legt Rz 18.2.1.1 der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung nahe, dass die Klägerin der EN-KG als identifizierbarer Leistungsempfängerin einen verbrauchsfähigen Vorteil dadurch verschafft hat, dass die EN-KG erst durch die Übernahme der 500.000 € übersteigenden Kosten in die Lage versetzt wurde, das speziell für ihre Zwecke und an dem dafür geeigneten Ort von der Klägerin neu errichtete Gebäude für eine Laufzeit von 20 Jahren ohne Übernahme weiterer Kosten nutzen zu können. Das die Steuerbarkeit dieser Bebauungsleistung begründende Rechtsverhältnis ergibt sich dann --wie im Umkehrfall der Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter-- aus der Regelung im Gesellschaftsvertrag vom 16.12.2009. Im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen gelten für das Vorliegen eines Leistungsaustausches keine Besonderheiten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.12.2007 - V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.b).
2. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen.
a) Das FG hat die bislang unterbliebene Prüfung nachzuholen, ob von einer steuerpflichtig und gegen Entgelt erbrachten sonstigen Leistung der Klägerin an die EN-KG auszugehen ist, weil die Klägerin der EN-KG ein für deren spezielle Zwecke geeignetes Gebäude errichtete, die Klägerin die hierfür entstehenden Kosten aber nur bis zu einem bestimmten Betrag und die EN-KG den darüber hinausgehenden Betrag zu tragen hatte. Sollte eine steuerpflichtige sonstige Leistung zu bejahen sein, ist im Hinblick auf die bereits im Juli 2014 begonnene Nutzungsüberlassung an die EN-KG und die Überschreitung des Kostendeckels vor dem Jahr 2016 zu prüfen, ob die Klägerin eine solche Leistung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG bereits in den Streitjahren und nicht erst im Jahr der Rechnungsstellung (2016) erbracht hat.
b) Liegt eine steuerpflichtig gegen Entgelt erbrachte sonstige Leistung durch die Errichtung eines auf spezielle Bedürfnisse ausgerichteten Gebäudes im Vorfeld von dessen --als unentgeltlich vereinbarter-- Nutzungsüberlassung vor, hat das FG im Hinblick auf die lediglich nach einem Teil der Kosten berechnete Gegenleistung weiter die Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG, der auch Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft erfasst (BFH-Urteil vom 09.11.2022 - XI R 31/19, BFHE 279, 227, Leitsatz 2), zu prüfen.
aa) In Bezug auf die unionsrechtlichen Grundlagen dieser Vorschrift ist zum einen die dem nationalen Gesetzgeber erteilte Ermächtigung zur Schaffung einer früher von der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) abweichenden Sondermaßnahme (BFH-Urteil vom 08.10.1997 - XI R 8/86, BFHE 183, 314, BStBl II 1997, 840, unter 1.) wie auch zum anderen der bereits in den Streitjahren geltende Art. 80 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu berücksichtigen, dem § 10 Abs. 5 UStG im Hinblick auf Zielsetzung, Voraussetzungen und Rechtsfolgen weitgehend entspricht. Im Hinblick hierauf ist § 10 Abs. 5 UStG nicht mehr als eine von einer Richtlinie abweichende Sonderregelung anzusehen, so dass sich die aus der früheren Abweichung von der Richtlinie abgeleitete enge Auslegung des § 10 Abs. 5 UStG (so zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Art. 80 MwStSystRL z.B. BFH-Urteil in BFHE 183, 314, BStBl II 1997, 840, unter 1.) nunmehr erübrigt hat. Zudem kommt es unter der Geltung von Art. 80 MwStSystRL nicht in Betracht, aus einer früheren Abweichungsermächtigung strengere unionsrechtliche Anforderungen abzuleiten, als sie sich aus dieser Bestimmung selbst ergeben. Denn in Bezug auf die an das nationale Recht zu stellenden Anforderungen des Unionsrechts besteht ein normativer Vorrang des Art. 80 MwStSystRL gegenüber einer früheren Abweichungsermächtigung, zumal es dieser unter der Geltung von Art. 80 MwStSystRL zur Erreichung des Ziels, unangemessenen Entgeltgestaltungen entgegenzutreten, nicht mehr bedarf.
Ohne dass der Senat über eine fortgeltende Bedeutung der früheren Abweichungsermächtigung zu entscheiden hat, gilt dies auch für § 10 Abs. 5 UStG in seiner durch Art. 7 Nr. 2 Buchst. a und b i.V.m. Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (KroatienAnpG) vom 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1266) geänderten Fassung. Verfolgt eine Neuregelung nach dem Inkrafttreten von Art. 80 MwStSystRL das Ziel, § 10 Abs. 5 UStG an unionsrechtliche Erfordernisse anzupassen (BRDrucks 184/14, Seiten 89 und 90), die sich auch aus Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 MwStSystRL ergeben, kommt es nicht in Betracht, die Richtlinienkonformität der durch die Neuregelung geschaffenen Vorschrift anhand strengerer Maßstäbe zu messen, als sie sich aus Art. 80 MwStSystRL selbst ergeben, zumal diese Bestimmung die unionsrechtlichen Anforderungen an die Schaffung einer Mindestbemessungsgrundlage abschließend regelt. Letzteres ergibt sich aus dem für die Auslegung von Art. 80 MwStSystRL maßgeblichen dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24.07.2006 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen. Danach ermöglicht es diese Bestimmung den Mitgliedstaaten, "unter bestimmten, genau festgelegten Umständen hinsichtlich des Wertes von Lieferungen, Dienstleistungen und Erwerben tätig zu werden, um zu gewährleisten, dass die Einschaltung verbundener Personen zur Erzielung von Steuervorteilen nicht zu Steuerausfällen führt" (vgl. auch EuGH-Urteil Balkan and Sea Properties und Provadinvest vom 26.04.2012 - C-621/10 und C-129/11, EU:C:2012:248, Rz 50 und 51).
bb) Hiervon ausgehend hat das FG im Streitfall zu prüfen, ob die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat behauptete Vorsteuerabzugsberechtigung der EN-KG als Leistungsempfängerin besteht (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2008 - V R 39/06, BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.b und vom 05.06.2014 - XI R 44/12, BFHE 245, 473, BStBl II 2016, 187, Rz 29, 36 und 37 sowie Art. 80 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL).
Eine Auslegung von § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG dergestalt, dass die Leistung bei einer (gedachten) unentgeltlichen Erbringung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG steuerbar sein muss (so BFH-Urteil vom 10.06.2020 - XI R 25/18, BFHE 270, 181, Leitsatz 4 und Rz 64 zur Rechtslage vor dem KroatienAnpG) ist auf die durch das KroatienAnpG geänderte Rechtslage nicht zu übertragen. Denn die hierfür angeführte enge Auslegung beruhte auf der früher bestehenden Abweichung des § 10 Abs. 5 UStG von der Richtlinie 77/388/EWG, die aber durch Art. 80 MwStSystRL und dabei mit Wirkung für das nationale Recht --spätestens-- durch die Änderungen des KroatienAnpG entfallen ist. Dabei berücksichtigt der Senat, dass sich der Vorbehalt einer Entnahmebesteuerung weder aus dem Wortlaut des Art. 80 MwStSystRL ergibt noch --aufgrund des abschließenden Regelungscharakters dieser Bestimmung-- anderweitig (wie etwa aus einer früheren Einzelermächtigung oder der mit Art. 80 MwStSystRL verfolgten Zielsetzung) aus dem Unionsrecht abzuleiten ist. Eine derartige Einschränkung ergibt sich auch nicht aus der mit § 10 Abs. 5 UStG vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Zielsetzung, nach der es zu einer Besteuerung wie bei entsprechenden unentgeltlichen Leistungen kommen sollte (vgl. BFH-Beschluss vom 13.12.1995 - XI R 8/86, BFHE 179, 457, unter II.). Denn dies bezog sich nur auf die Rechtsfolgen, nicht aber auch auf die Voraussetzungen dieser Vorschrift (vgl. z.B. auch BFH-Urteile vom 11.10.2007 - V R 77/05, BFHE 219, 277, BStBl II 2008, 443, unter II.2. und vom 24.01.2008 - V R 39/06, BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 86, unter II.2.). Kein Widerspruch besteht schließlich zur Auslegung des § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 UStG, bei dem der Vorbehalt, dass die Leistung im Fall ihrer unentgeltlichen Erbringung zu einer Entnahmebesteuerung führt, auf dem nur dort bestehenden Merkmal der Leistung "auf Grund des Dienstverhältnisses" beruht (BFH-Urteile vom 15.11.2007 - V R 15/06, BFHE 219, 437, BStBl II 2009, 423, unter II.3.b; vom 27.02.2008 - XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426, unter II.2.b; vom 29.05.2008 - V R 12/07, BFHE 221, 525, BStBl II 2009, 428, unter II.1.; vom 29.05.2008 - V R 17/07, BFH/NV 2008, 1893, unter II.1.; vgl. im Übrigen zur Zulässigkeit einer nur selektiven Ausübung einer --lediglich einen Rechtsrahmen vorgebenden-- Ermächtigung der Richtlinie durch Zusatzvoraussetzungen des nationalen Rechts BFH-Urteil vom 02.07.2014 - XI R 39/10, BFHE 246, 549, BStBl II 2015, 421, Rz 31). Auf die Frage einer engen Auslegung von § 10 Abs. 5 UStG in anderen Teilbereichen, in denen diese Vorschrift gegebenenfalls Art. 80 MwStSystRL nicht entspricht, kommt es vorliegend im Übrigen nicht an.
c) Für das weitere Verfahren weist der Senat zudem für den Fall, dass das FG im zweiten Rechtsgang von einer steuerpflichtig erbrachten sonstigen Leistung ausgehen sollte, vorsorglich zum Vorsteuerabzug auf Folgendes hin:
aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 168 Buchst. a MwStSystRL. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer) berechtigt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert beziehungsweise erbracht wurden oder werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Dieses Recht auf Vorsteuerabzug besteht für den Unternehmer, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 10.05.2023 - V R 16/21, BFHE 280, 357, Rz 17; vom 30.06.2022 - V R 32/20, BFHE 276, 428, BStBl II 2023, 45, Rz 15 und 16 sowie vom 06.05.2010 - V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, Rz 16; EuGH-Urteil Securenta vom 13.03.2008 - C-437/06, EU:C:2008:166, Leitsatz 1).
bb) Der für den Vorsteuerabzug grundsätzlich erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang des Eingangs- zu einem bestimmten steuerpflichtigen Ausgangsumsatz (BFH-Urteil vom 09.12.2010 - V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Rz 13) ergibt sich bei Bejahung einer steuerpflichtigen sonstigen Leistung bereits daraus, dass die Eingangsleistungen für die Errichtung des Gebäudes nebst Außenanlagen bezogen wurden, um an die EN-KG diese Leistung als entgeltliche und steuerpflichtige Ausgangsleistung zu erbringen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören damit zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes.
cc) Auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen und vom FG bejahten Fragen, ob ein Zusammenhang des Eingangsumsatzes zur steuerpflichtigen Stromproduktion ausreichend sein könnte, und ob wegen der --durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgegebenen-- Einspeisevergütung für Strom die bezogenen Eingangsleistungen als Kostenelement der Ausgangsumsätze anzusehen sind, kommt es dann nicht an.