BFH zur Unternehmereigenschaft einer von Ehegatten gemeinschaftlich betriebenen Hundezucht
Umsatzsteuer
BFH, Beschluss vom 25.10.2023, XI B 25/23
Verfahrensgang: FG Rheinland-Pfalz, 3 K 1541/21 vom 28.02.2023
Leitsatz:
NV: Ehegatten, die gemeinschaftlich eine Hundezucht betreiben, bilden eine GbR, die Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist.
Gründe:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Divergenz, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) zuzulassen.
a) Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), der Gerichtshof der Europäischen Union, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14.11.2022 - XI B 105/21, BFH/NV 2023, 155, Rz 9; vom 31.08.2023 - XI B 89/22, juris).
b) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht zu Unrecht geltend, die Vorentscheidung weiche vom BFH-Urteil vom 22.11.2018 - V R 65/17 (BFHE 263, 90) ab, da das FG entschieden habe, dass eine Ehegattengemeinschaft Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sein könne.
aa) Die behauptete Divergenz liegt im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil der Sachverhalt der angefochtenen Vorentscheidung mit demjenigen im BFH-Urteil vom 22.11.2018 - V R 65/17 (BFHE 263, 90) nicht vergleichbar ist; denn im dortigen Fall hat der BFH nicht angenommen, dass eine GbR bestehe.
Vorliegend hat der Kläger als Rechtsnachfolger und ehemaliger Beteiligter der GbR Klage gegen Umsatzsteuerbescheide erhoben, die der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) zunächst gegenüber der GbR und später gegen den Kläger als Rechtsnachfolger der GbR erlassen hat. Die Einspruchsentscheidung ist ebenfalls gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der GbR ergangen. Das FG hat die Klage des Klägers als Rechtsnachfolger der GbR gegen diese Verwaltungsakte abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen zwar offen gelassen, ob die aus dem Kläger und der Beigeladenen bestehende Ehegattengemeinschaft eine GbR sei; indem das FG die Rechtmäßigkeit der gegenüber der GbR ergangenen Umsatzsteuerbescheide bestätigt hat, ist es indes implizit von der Existenz der GbR ausgegangen.
bb) Der Senat geht aufgrund der nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG davon aus, dass die Eheleute eine GbR im Sinne des § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegründet haben (vgl. zur Existenz einer GbR bei gemeinsamem Betrieb eines "Tierzuchthofs" durch Ehegatten Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 03.02.2016 - XII ZR 29/13, Monatsschrift für Deutsches Recht 2016, 655, Rz 22 ff.). Der Existenz einer GbR steht es auch nicht entgegen, wenn Eheleute keinen schriftlichen Vertrag geschlossen haben; denn ein Vertrag über die Gründung einer GbR kann auch stillschweigend durch konkludentes Handeln geschlossen werden (vgl. BGH-Urteil vom 09.10.1974 - IV ZR 164/73, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1974, 2278). Für die Annahme eines konkludenten Handelns ist es unschädlich, wenn sie Wirtschaftsgüter nicht zur gesamten Hand, sondern zu Bruchteilen und als Alleineigentum erworben haben; denn eine gemeinschaftliche Zweckverfolgung verlangt nicht unbedingt, dass die dafür eingesetzten Vermögensgegenstände zur gesamten Hand gehalten werden (vgl. auch BGH-Urteil vom 10.01.1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, Rz 18, bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft); es genügt zum Beispiel auch die schuldrechtliche Widmung einer von allen oder einzelnen Gesellschaftern gehaltenen Sache für den Gesellschaftszweck (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2001 - VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185, unter I.2. der Gründe).
2. Da mithin aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen davon auszugehen ist, dass zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau eine GbR bestand, scheidet das Vorliegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des FG, den der Kläger als weiteren Zulassungsgrund geltend macht, aus.
3. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler liegen, soweit sie hinreichend dargelegt wurden, nicht vor.
a) Der gerügte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht durch Nichtvernehmung der früheren Ehefrau des Klägers und ausgeschiedenen Mitgesellschafterin (der Beigeladenen) ist bereits nicht hinreichend dargelegt.
aa) Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2023 ausweislich der Niederschrift keinen Antrag auf Vernehmung der Beigeladenen gestellt, die am 27.02.2023 angekündigt hatte, nicht zum Termin zu erscheinen. Um einen Sachaufklärungsmangel hinreichend darzulegen, hätte der fachkundig vertretene Kläger daher unter anderem vortragen müssen, weshalb er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und weshalb sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich habe aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme –auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG– zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2016 - XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599, Rz 18; vom 04.03.2020 - XI B 30/19, BFH/NV 2020, 611, Rz 11). Denn die Sachaufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 32). Da es sich um einen Verfahrensmangel handelt, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, muss ein Beschwerdeführer außerdem vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (vgl. BFH-Beschluss vom 05.12.2013 - XI B 1/13, BFH/NV 2014, 547, Rz 9).
bb) Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger trägt zwar vor, dass die Beigeladene im Falle ihrer Vernehmung ausgeführt hätte, dass sie Einzelunternehmerin gewesen sei, was dem Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherungen entspreche. Er legt aber nicht hinreichend dar, warum er angesichts des hiervon abweichenden Vortrags des FA, beispielsweise im Schreiben vom 10.12.2021, ihre Vernehmung nicht beantragt und die Nichtvernehmung nicht gerügt hat.
cc) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst bei einer anderen rechtlichen Sichtweise die Beschwerde unbegründet wäre, nachdem die Beigeladene im Schriftsatz vom 30.08.2023 dem Senat gegenüber erklärt hat, dass der Kläger ihrer Auffassung nach Einzelunternehmer gewesen sei und sie nur Hilfstätigkeiten für den Kläger ausgeübt habe. Diese Aussage widerspricht indes den vom FG festgestellten weiteren Tatsachen, die für das Vorliegen einer GbR sprechen, insbesondere dem Internet-Auftritt sowie den aufgefundenen Kaufverträgen und Heimtierausweisen, auf die das FG maßgeblich abgestellt hat. Hätte das FG die Beigeladene vernommen, wäre daher seine Entscheidung auf Basis seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht anders ausgefallen.
b) Soweit der Kläger rügt, das FG habe die gemeinsamen Töchter des Klägers und der Beigeladenen nicht als Zeuginnen vernommen, wurde zwar in der mündlichen Verhandlung ein Beweisantrag gestellt. Es fehlt aber der Vortrag, warum deren Nichtvernehmung nicht gerügt worden ist. Dem fachkundig vertretenen Kläger war bekannt, dass seine Töchter nicht als Zeuginnen geladen sowie nicht zur Sitzung erschienen waren. Im Übrigen hat die Beigeladene in ihrem Schreiben vom 30.08.2023 mitgeteilt, dass eine Vernehmung der Töchter nicht zu dem vom Kläger gewünschten Erfolg geführt hätte, weil diese aller Voraussicht nach nichts anderes ausgesagt hätten als von ihr vorgetragen werde, nämlich, dass die Beigeladene selbst lediglich Hilfsarbeiten für den Beschwerdeführer ausgeführt habe. Zuletzt war die Vernehmung der Zeuginnen auf Basis der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG nicht entscheidungserheblich, was es auf den Seiten 8 und 9 seines Urteils begründet hat.
c) Das Urteil des FG ist auch –entgegen der Auffassung des Klägers– keine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung.
aa) Aufgrund der unter anderem im Schriftsatz vom 10.12.2021 geäußerten (gegenteiligen) Rechtsauffassung des FA musste der Kläger damit rechnen, dass das FG zu der Beurteilung gelangen könnte, dass die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtmäßig sein könnten (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 22.07.2014 - XI B 103/13, BFH/NV 2014, 1761, Rz 15; vom 13.11.2019 - XI B 119/18, BFH/NV 2020, 367, Rz 19). Es handelte sich, wie das FA zutreffend geltend macht, um den Hauptstreitpunkt des Verfahrens.
bb) Ein Anspruch darauf, dass das Gericht einen Beteiligten "erhört", sich also seinen rechtlichen Ansichten oder seiner Sachverhaltswürdigung anschließt, ergibt sich aus dem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12.07.2016 - III B 33/16, BFH/NV 2016, 1750, Rz 17; vom 14.11.2022 - XI B 106/21, BFH/NV 2023, 140, Rz 16).